Bolivien feiert dieses Jahr 200 Jahre Unabhängigkeit und steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Vor diesem Hintergrund finden am Sonntag Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Dabei könnte die sozialistische MAS-Partei, die Boliviens Politik seit über 20 Jahren dominiert, abgewählt werden. Angesichts seiner Unbeliebtheit verzichtet der amtierende Präsident Luis Arce auf eine Kandidatur. Seine Partei schickt nun einen ziemlich unbekannten Politiker ins Rennen. Südamerika-Korrespondentin Teresa Delgado über die Ausgangslage.
Hat Bolivien genug von der sozialistischen Politik?
Es sieht danach aus, zumindest, wenn man den Umfragen glaubt. Dort liegen zwei Konservative vorne – Geschäftsmann Samuel Doria Medina, der mit Burger King reich wurde, und Ex-Präsident Jorge «Tuto» Quiroga. Sie kommen auf 20 respektive 16 Prozent der Stimmen. Eduardo del Castillo, der offizielle Kandidat der sozialistischen MAS-Partei, liegt weit abgeschieden in den hinteren Rängen. Dann gibt es noch einen inoffiziellen Kandidaten auch von der MAS – Senats-Präsident Andrónico Rodríguez, derzeit ist er der Drittplatzierte in diesem Rennen.
Bolivien steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Was steckt dahinter?
Hintergrund ist das sozialistische Wirtschaftsmodell – eingeführt von Ex-Präsident Evo Morales. Es stützt sich vor allem auf Erdgasexporte – die brachen in letzter Zeit aber stark ein, da die Gasreserven sinken und neue Gasquellen nicht erschlossen wurden wegen politischen Streitereien. Das führt zu einer Situation, in der Bolivien nicht mehr genug Gas exportieren kann – weshalb nicht mehr genug Dollars ins Land kommen. Die Regierung ist verschuldet und kann zum Beispiel die Benzinimporte nicht mehr subventionieren. Benzin ist inzwischen knapp und teuer geworden. Die Preise für Lebensmittel sind im letzten Jahr um 24 Prozent gestiegen – das entspricht mehr als einem 30-Jahreshoch, und das in einem der ärmsten Länder Südamerikas.
Werden die Wahlen fair sein?
Das werden wir sehen. Der vereitelte Putschversuch vor einem Jahr wurde nur von einem kleinen Teil des Militärs mitgetragen. Und bei den Wahlen jetzt verhält sich das Militär bisher ruhig. Es sind zudem verschiedene unabhängige Beobachterinnen und Beobachter im Land, die genau hinschauen werden – zum Beispiel von der Europäischen Union oder der Organisation Amerikanischer Staaten. Sie werden die Wahl-Akten sehen, die am Wahltag selber auch sofort abfotografiert werden, bevor sie ins elektronische Wahlsystem übermittelt werden. Man kann nur hoffen, dass alles friedlich und geordnet abläuft, besonders in diesem Wahljahr, wo Bolivien auch 200 Jahre Unabhängigkeit feiert.