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Präsidentschaftswahl Taiwan Lai gewinnt Wahl – Mehrheit will keine Annäherung an China

  • In einem Rückschlag für Peking hat William Lai von der bislang regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) die Wahl in Taiwan gewonnen.
  • Bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in dem ostasiatischen Inselstaat errang der 64-Jährige am Samstag rund 40 Prozent der Stimmen.
  • Lais Partei steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, Peking betrachtet sie deshalb als Separatisten.

«Wir sagen der internationalen Gemeinschaft, dass wir zwischen Demokratie und Autoritarismus auf der Seite der Demokratie stehen», erklärte Lai am Abend in Taipeh.

Mann schaut in Kamera
Legende: Der bisherige Vizepräsident von Taiwan, William Lai, wird der neue Präsident des Inselstaates. Keystone/EPA/RITCHIE B. TONGO

Das angespannte Verhältnis zu China war ein bestimmendes Wahlkampfthema in dem Land mit mehr als 23 Millionen Einwohnern. Die Kommunistische Partei in Peking zählt Taiwan zum Territorium Chinas, obwohl sie die Insel im Indopazifik bislang nie regierte und Taiwan seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung hat.

Lai rief China noch am Abend dazu auf, den Frieden in der Meerenge zwischen beiden Staaten zu wahren. «Ein globaler Frieden hängt vom Frieden in der Taiwanstrasse ab», sagte er. Zugleich zeigte er sich für Zusammenarbeit mit China bereit.

Kurzeinschätzung von China-Korrespondent Samuel Emch

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Trotz Drohgebärden und Warnungen, welche China in den letzten Wochen Richtung Taiwan sendete, entschied sich die Bevölkerung auf der Insel für den Regierungskandidaten William Lai. Dieser wird von chinesischen Beamten etwa als extremer Separatist beschimpft.

Chinas Hoffnungen lagen bei der Oppositionspartei in Taiwan. Diese unterhält gute Kontakte zur Kommunistischen Partei und präsentierte sich im Wahlkampf als die Partei, welche die schlechten Beziehungen zu China wieder kitten kann.

Doch vielen Taiwanerinnen und Taiwanern – einer Mehrheit – sind genau die guten Beziehungen der Opposition zu China suspekt. Eine Wahl der Opposition ist für sie ein erster Schritt zur Vereinigung mit China.

Das Wahlergebnis zeigt somit zum einen: Chinas Bemühungen, die Insel näher ans Festland zu führen, um sie dereinst mit der kommunistischen Volksrepublik vereinen zu können, fruchten nicht.

Auf der anderen Seite unterstreicht das Ergebnis auch, was Bevölkerungsumfragen immer wieder zu Tage tragen: Immer mehr Leute auf der Insel fühlen sich in erster Linie als Taiwanerinnen und Taiwaner. Nur noch eine kleine Minderheit sieht sich als ausschliesslich chinesisch.

Dieses Wahlergebnis dürfte in Peking grosse Fragen aufwerfen: Wie kann man das Ziel erreichen, die Insel unter die eigene Kontrolle zu bringen? Ist dies noch mit friedlichen Mitteln möglich? Mit Drohungen, Warnungen und wirtschaftlichen Bestrafungsaktionen war China bisher nicht erfolgreich.

Auch Lais Kontrahenten hatten sich für Austausch mit Peking stark gemacht. Für Hou Yu-ih von der chinafreundlichen und konservativen Kuomintang (KMT) und Ko Wen-je von der populistischen Taiwanischen Volkspartei (TPP) stimmten jedoch nur 33,49 Prozent beziehungsweise 26,46 Prozent der Wähler. Insgesamt waren 19,5 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Die Beteiligung lag mit rund 72 Prozent geringfügig niedriger als 2020.

Menge hält jubelnd Fahnen in die Höhe
Legende: Die Menge jubelt bei einer Kundgebung der siegreichen Demokratischen Fortschrittspartei in New Taipei City. Keystone/LOUISE DELMOTTE

Die Spannungen in der Taiwanstrasse, einer äussert wichtigen internationalen Handelsroute, nahmen über Jahre zu. Mittlerweile lässt die Volksbefreiungsarmee fast täglich als Machtdemonstration Kampfflieger in Taiwans Luftverteidigungszone fliegen. Schon 2016 brach China den Kontakt zur taiwanischen Regierung ab, nachdem die DPP unter Tsai Ing-wen die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte.

Ausserdem droht Peking immer wieder mit militärischen Mitteln, sollte eine «Wiedervereinigung» scheitern. China begründet historisch, dass Taiwan zum Gebiet der Volksrepublik zähle.

Die Reaktionen

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  • Die USA haben nach der Wahl William Lai gratuliert. Das taiwanische Volk habe mit der Wahl einmal mehr die Stärke seines robusten demokratischen Systems und seines Wahlprozesses unter Beweis gestellt, teilte das US-Aussenministerium am Samstag in Washington mit. Man freue sich darauf, mit Lai und den Spitzen aller Parteien zusammenzuarbeiten, um «gemeinsame Interessen und Werte» voranzubringen und die langjährigen inoffiziellen Beziehungen im Einklang mit der Ein-China-Politik zu fördern.
  • Die EU hat den Verlauf der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan begrüsst. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell am Samstag in Brüssel mit. Er betonte zudem, dass die EU Frieden und Stabilität in der Meerenge von Taiwan als zentral für regionale und globale Sicherheit und Wohlstand ansehe.

Sollte Taiwan offiziell die Unabhängigkeit erklären, wäre das für Peking ein Grund, die Situation in der Taiwanstrasse eskalieren zu lassen. Lai will die Verteidigung Taiwans deshalb aufrüsten und China so abschrecken, einen Konflikt zu beginnen. Er hält es nach eigenen Worten aber nicht für nötig, die Unabhängigkeit Taiwans offiziell zu erklären.

Schwierige Parlamentsarbeit

Laut dem Politik-Experten Wu Rwei-ren von der taiwanischen Academia Sinica dürfte die DPP nun Taiwans politische und wirtschaftliche Allianz mit den USA aufrechterhalten. Die Vereinigten Staaten sind ein Verbündeter der Insel. US-Präsident Joe Biden hatte Taipeh Unterstützung im Fall einer Verteidigung zugesichert. Schon länger liefern US-Firmen Waffen an Taiwan, was Peking kritisiert.

Im Parlament könnte es die DPP nach dem Verlust der absoluten Mehrheit nun schwerer haben. Von den 113 Sitzen entfielen 52 auf die KMT und 51 auf die DPP. Das Kabinett, das Lai als Präsident ernennt, muss daher zum Beispiel mit der TPP zusammenarbeiten, die acht Sitze erhielt.

Die von Lai ernannte Regierung dürfte innenpolitisch auf mehr Widerstand stossen, was die weitere Verflechtung mit dem US-Lager verlangsamen könnte, sagte Wu. Lai kündigte bereits an, auch Vertreter anderer Parteien mit einzubinden, und zunächst an politischen Vorhaben arbeiten zu wollen, bei denen ein Konsens herrsche.

SRF 4 News, 13.01.2024, 11 Uhr ; 

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