Pingtan, eine Insel so gross wie der Kanton Solothurn an der Ostküste Chinas. Am Hafen flickt die Besatzung eines Fischkutters ein Netz.
Der Wind bläst etwas stärker als sonst. Das gilt auch für das stürmische Verhältnis zwischen Festlandchina und Taiwan. Einer der Männer sagt: «Was wir Fischer uns am meisten wünschen ist, dass es keinen Krieg gibt.»
Ein Krieg wäre verheerend, auch für die chinesische Bevölkerung, ist der Fischer überzeugt. Sie kriegten die steigenden Spannungen direkt mit. Deutlich mehr Fregatten hielten in der Taiwanstrasse Übungen ab. D iese definierten jeweils Zonen, wo sie nicht fischen dürfen.
Der Fischer schaut dem Pier entlang zu einem grossen modernen Bau: «Von da legt die Fähre nach Taiwan ab. Aber im Moment fährt sie nicht. Die taiwanesische Präsidentin mag uns Festland-Chinesen nicht.» Seit bald vier Jahren ist der Fährbetrieb suspendiert. Zwar werden weiter Waren gehandelt, aber die stillgelegte Fähre ist ein weiterer Ausdruck, wie schlecht die Beziehungen derzeit sind.
Kriegsübungen in der Meerenge
Besonders kritisch wurde es im Sommer 2022, als Nancy Pelosi, die damalige Mehrheitsführerin des US-Repräsentantenhauses, Taiwan besuchte. Es folgten ausgedehnte Militärmanöver Chinas.
Von Pingtan aus feuerte China Raketen Richtung Taiwan ab und unterstrich damit seine Drohung, Taiwan notfalls militärisch zu erobern. Würden bei einem Angriff die USA Taiwan zur Seite stehen, hiesse dies Krieg zwischen China und den USA. Ein Worst-Case-Szenario.
Doch soweit soll es nicht kommen. Die chinesische Führung will, dass sich Taiwan freiwillig mit der Volksrepublik vereint. Dafür tut China einiges. So gibt es neben der militärischen Peitsche auch Zuckerbrot.
Zum Beispiel in Form einer Gewerbezone auf Pingtan. Hier erhielten taiwanesische Unternehmen Mietreduktionen, Steuererleichterungen und weitere Subventionen. Zunächst kamen viele, doch mit der Pandemie und den zunehmenden politischen Spannungen, sind die meisten wieder gegangen.
Das Gewerbeareal wirkt verlassen, viele der Firmen, die noch da sind, sind chinesische Unternehmen. Wie die Firma von Wei Yuen-peng. Er betreibt eine Plattform, die verschiedene Dienstleistungen zwischen Taiwan und Festlandchina anbietet. Logistik, Personalvermittlungen und man unterstütze Taiwanerinnen und Taiwaner bei Behördengängen auf dem Festland.
China bietet nicht nur Firmen, sondern auch den Bewohnern von Taiwan Vorzüge. Besonders in der Provinz Fujian, zu der auch Pingtan gehört, erhalten sie ein ständiges Aufenthaltsrecht, Erleichterungen beim Wohnungskauf und gewisse Sozialleistungen. Das ist Teil der friedlichen Vereinnahmungsstrategie.
Hoffen auf die Opposition
Auf Pingtan hofft die Bevölkerung, dass das Verhältnis zu Taiwan nach den Wahlen besser wird. Viele hätten schon konkrete Vorstellungen, sagt Wei: «Es gibt Gerüchte unter den Leuten, dass die Fähre im März wieder in Betrieb geht.» Das wäre für das Geschäft mit Taiwan ein willkommener Impuls.
Auch die Crew des Fischkutters am Hafen informiert sich über die Wahlen auf der anderen Seite der Taiwanstrasse. Sie hofften auf die Opposition. Doch, sagt der Fischer: «Derzeit ist das Regierungslager vorne.» Sowieso seien alle Kandidaten unzuverlässig.
So bleibt das Beste, worauf die Fischer hoffen können, dass es keine Eskalation, keinen Krieg an der Taiwanstrasse geben wird.