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Pressefreiheit in Gefahr Kritischer Journalismus ist in Hongkong nicht mehr gefragt

Die Pressefreiheit in Hongkong ist immer mehr eingeschränkt. Aber der Chef des Journalistenverbands gibt nicht auf.

Es ist eine Rückkehr mit ungewissem Ausgang. Ronson Chan muss sich in Hongkong einem Strafverfahren stellen. Trotz der Warnung von Freunden und Kollegen kehrt der Präsidenten der grössten Journalistenvereinigung in seine Heimatstadt zurück.

«Ich habe eine Verpflichtung gegenüber dem Journalistenverband», sagt Ronson Chan bei seiner Ankunft am Flughafen in Hongkong. «Ich bin ein erfahrener Journalist und will als solcher einen Beitrag leisten.» Ronson Chan hatte ein halbjähriges Stipendium an der Universität Oxford in England erhalten.

Radikal veränderte Medienlandschaft

Jetzt ist er zurück und will sich wieder vor Ort für die Rechte von Journalistinnen und Journalisten einsetzten. Das wird zunehmend schwieriger. Denn die Medienlandschaft in Hongkong hat sich radikal verändert.

Bis vor paar Jahren war die chinesische Sonderverwaltungszone ein kleines Paradies für Presse- und Meinungsfreiheit. Doch das im Sommer 2020 von Peking erlassene drakonische Sicherheitsgesetz hat kritische Stimmen verstummen lassen.

Rangliste der Pressefreiheit 2022

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Hongkong ist in der Rangliste der Pressefreiheit 2022 regelrecht abgestürzt. Die chinesische Sonderverwaltungszone fiel um 68 Positionen nach unten auf Rang 148. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen begründete die Verschlechterung mit dem neuen Sicherheitsgesetz. Die Zentralregierung in Peking führte das Gesetz im Sommer 2020 als Reaktion auf die anhaltenden Massenproteste ein. Es verbietet Volksverhetzung, Abspaltungswünsche und Zusammenarbeit mit fremden Mächten. Insbesondere auch Journalistinnen und Journalisten sind davon betroffen.

China liegt mit Platz 175 auf einem der hintersten Ränge bei der Pressefreiheit. Schlechter schneiden nur noch Myanmar, Turkmenistan, Iran, Eritrea und Nordkorea ab. Die Rangliste der Pressefreiheit vergleicht jedes Jahr die Situation für Journalistinnen, Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien.

Am Tag der Pressefreiheit am 3. Mai publiziert Reporter ohne Grenzen die Rangliste für 2023.

Zeitungsschliessungen nach einer Razzia

So mussten etwa die zwei grössten unabhängigen Medien, «Apple Daily» und «Stand News», nach einer Razzia schliessen. Ihre Macher stehen vor Gericht. Das stellt Ronson Chan vor eine grosse kommunikative Herausforderung: «Würde ich zum Beispiel öffentlich sagen, ‹Die Pressefreiheit ist tot›, könnten man mir Volksverhetzung vorwerfen.» Also beschränke er sich darauf, das Offensichtliche festzuhalten: «Unsere Arbeit ist heute sehr viel schwieriger.»

Nur mit einem «Regenschirm im Sturm»

Auch Ronson Chan spürt den steigenden Druck am eigenen Leib. Der Journalist wollte während eines Einsatzes als Reporter im vergangenen Herbst von einem Polizisten in Zivil den Ausweis sehen, bevor er selbst seine Pressekarte zeigte. Jetzt muss er sich wegen Behinderung der Polizei verantworten. Bald beginnt der Prozess. Im schlimmsten Fall droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Ronson Chan mit Maske vor dem Gerichtsgebäude, um ringt von einigen Fotografen.
Legende: Ronson Chan, Chairman der Hong Kong Journalists Association (HKJA), bei seiner Ankunft beim «West Kowloon Magistrates»-Gericht im September 2022, wo er wegen Behinderung der Polizei angeklagt worden war. REUTERS / Tyrone Siu

Selbst als Verbandspräsident hat Ronson Chan kaum die Möglichkeit, das schwierige Arbeitsumfeld für Journalisten zu verbessern: «Es ist, als ob draussen ein Sturm tobt. Und alles, was ich tun kann, ist, einen Regenschirm hochzuhalten.» 

Trotzdem – Ronson Chan will weitermachen. Egal, wie das Gerichtsverfahren gegen ihn ausgeht.

Tagesschau, 02.05.2023, 12:45 Uhr

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