Mit einem neuen Video geht Nordkorea auf der Social-Media-Plattform Tiktok gerade viral: Lachende Menschen, hüpfende Kinder, wehende Fahnen und Soldaten, die fröhlich auf einem Panzer sitzen und lautstark singen.
Das jüngste Propagandavideo Nordkoreas reiht sich ein in viele andere Videos, die über Online-Medien verbreitet werden. Dass dieses Video derzeit so viral geht, kann Fabian Kretschmer, freischaffender Journalist in China, trotz aller Kuriosität nachvollziehen. «Die Musik ist handwerklich gut gemacht, sie hat was Poppiges, Nostalgisches, eine Ohrwurmqualität.»
Doch das Video transportiere eine Kulisse, die mit der Realität vor Ort wenig zu tun habe. «Die meisten von uns erkennen, dass das Fake ist. Aber gerade ein jüngeres Publikum, das noch nicht so medienkompetent ist, kann sich davon blenden lassen», sagt Kretschmer.
Die nordkoreanische Propaganda habe immer eine äussere und eine innere Spur. «Auf der einen Seite produziert das Land Propaganda fürs eigene Volk und auf der anderen Seite fürs Ausland. Das unterscheidet sich teilweise ziemlich drastisch», sagt Kretschmer. So würden aus Nordkorea stammende Blogger auf Youtube gezielt Videos für ein westliches Publikum produzieren. «Da geht es zum Beispiel darum, mit nordkoreanischen Stereotypen aufzuräumen und das Land möglichst modern darzustellen.»
Social Media als Sprachrohr der eigenen Propaganda
Beim jüngsten Tiktok-Video ist aber das eigene Volk der Adressat. «Es geht darum, den Machthaber möglichst positiv darzustellen», sagt Kretschmer. Die Message: Kim Jong-un ist eine väterliche Figur, die sich um das Volk kümmert, es beschützt und führt. Eine «ganz klassische Propagandabotschaft», meint der freischaffende Journalist. Das Kunstverständnis in Nordkorea sei politisch. «Egal ob Malerei oder Musik, es geht immer darum, eine ideologische Botschaft zu vermitteln.»
Dass das Land auf Online-Propaganda setzt, habe vor allem mit den Möglichkeiten und der Reichweite der sozialen Medien zu tun. «Nordkorea hat erkannt, dass es in den klassischen Medien immer negativ dargestellt wird», so Kretschmer. Mit Twitter und Co. hat das Land nun die eigene Botschaft in der Hand.
Doch diese Botschaft erreicht vor allem das Publikum im Ausland. In Nordkorea selbst hat nur eine kleine Minderheit Zugang zum Internet. Und das funktioniert eher wie ein Intranet, weiss Kretschmer. «Das Regime ist wie ein Gatekeeper. Es richtet alle Homepages und Plattformen ein und entscheidet, welche Informationen in dieses eigene, abgeschlossene Netzwerk gelangen und was dann auf Tiktok und Co. veröffentlicht wird.»
Regime muss immer gelobt werden
Videos, die eine perfekte Welt zeigen: Dass das Land so hartnäckig an diesem Bild festhält, obwohl alle wissen, dass das so nicht stimmt, habe mit ihrem Regime zu tun, sagt Kretschmer. «So totalitär, wie Nordkorea ist, ist es nicht möglich, ein ambivalentes, graues Bild zu zeichnen.»
Es müsse immer in den höchsten Tönen gelobt werden, weil man sonst Probleme mit dem Herrscher bekommt, sagt Kretschmer. «Der Machthaber ist immer eine gottgleiche Figur. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind immer glücklich und die Supermärkte sind gut gefüllt.» Eine idealisierte Realität, die vom System vorgegeben und via Social-Media-Videos in die Welt getragen wird.