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Die Visegrad-Hauptstädte proben den Aufstsand
Aus SRF 4 News aktuell vom 23.12.2019.
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Protest der Hauptstädte Warum stellen sich die Visegrad-Bürgermeister gegen Orban & Co.?

Der Graben zwischen Grossstädten und ländlichen Gebieten der Visegrad-Staaten werde immer tiefer, stellt der Historiker Ulf Brunnbauer fest.

Die Bürgermeister von Budapest, Prag, Warschau und Bratislava stellen sich demonstrativ gegen ihre populistischen Landesregierungen. In einem gemeinsamen Brief der Hauptstadt-Bürgermeister Ungarns, Tschechiens, Polens und der Slowakei heisst es, statt «populistischer Lösungen» solle eine «sich von unten aufbauende Demokratie» gepflegt werden.

Der Historiker Ulf Brunnbauer erkennt in der Initiative eine Reaktion auf eine Entwicklung, die allen industrialisierten Demokratien eigen ist.

Ulf Brunnbauer

Ulf Brunnbauer

Historiker

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Brunnbauer ist wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung sowie Inhaber des Lehrstuhls für die Geschichte Südost- und Osteuropas an der Universität Regensburg.

SRF News: Welche Absicht verfolgen die Hauptstadt-Bürgermeister der sogenannten Visegrad-Staaten?

Ulf Brunnbauer: Es stecken zwei wichtige Entwicklungen hinter der Initiative: Einerseits wird die Kluft zwischen den politischen Einstellungen der Menschen in den Hauptstadtregionen und jener ihrer Landesregierungen immer grösser. Andererseits ist es ein globales Phänomen, dass politische Innovationen zunehmend aus Grossstadtregionen kommen.

Was verbindet Budapest, Prag, Warschau und Bratislava abgesehen von der Kritik an ihren jeweiligen Regierungen?

Die Bürgermeister aller vier Städte sind relativ jung und gehören Oppositionsparteien an. Alle vier Städte sind sehr dynamisch, ihre Wirtschaft wächst sehr rasch.

Die vier Hauptstädte gehören teilweise zu den reichsten Regionen Europas.

Inzwischen gehören sie teilweise zu den reichsten Regionen Europas. Sie befinden sich deshalb in einer völlig anderen ökonomischen und sozialen Lage als weite Teile ihres Landes. Entsprechend anders sind auch ihre Herausforderungen und Probleme.

Ein Ziel der Städte ist, EU-Fördergelder direkt in kommunale Projekte zu investieren. Ist das realistisch?

Bei den Mitteln aus den EU-Kohäsionsfonds zur Überwindung von regionalen Ungleichheiten ist das kaum möglich. Doch die Städte können sich verstärkt gemeinsam um europäische Gelder für Projekte bewerben – etwa aus dem Sozialfonds. Dabei handelt es sich zwar um kleinere Summen, die aber durchaus hilfreich sein können, um neue, innovative Projekte in Gang zu bringen.

Die vier Länder sind sehr unterschiedlich, ausserdem besteht innerhalb der einzelnen Staaten ein tiefer Stadt-Land-Graben. Es zeigt sich also ein sehr gemischtes Bild.

Auf jeden Fall. Man darf auch nicht ignorieren, dass die xenophob-nationalistische Politik der polnischen Partei PIS oder der ungarischen Fidesz bei weiten Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stösst. Entsprechend erreichen diese Parteien bei den mehr oder weniger freien Wahlen politische Mehrheiten. Auch gibt es extreme ökonomische Unterschiede innerhalb der Länder.

Die Überbrückung der Kluft zwischen Grossstädten und ländlichen Gebieten ist eine Haupt-Herausforderungen der nächsten Jahre.

Die Hauptstadtregion Bratislava ist heute reicher als jene Wiens, während das Wohlstandsniveau in der Slowakei 300 Kilometer weiter östlich auf die Hälfte des EU-Durchschnitts sinkt. Es ist deshalb kein Wunder, dass die Menschen in diesen völlig unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Situationen auch andere Werthaltungen und Interessen haben. Das ist auch in Ländern wie den USA so. Es ist eine der grossen Herausforderungen der industrialisierten Welt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, wie diese Kluft zwischen Grossstädten und ländlichen Gebieten überbrückt werden kann, damit es nicht zu populistischen Gegenreaktionen kommt.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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