- Bereits 2005 und 2010 hatte es in Kirgistan Volksaufstände gegen die Regierung gegeben. Beide Male wurde die Regierung gestürzt.
- Trotz regelmässiger Unruhen gilt Kirgistan als Insel der Demokratie in Zentralasien. Die ehemalige Sowjetrepublik ist heute eine parlamentarische Demokratie.
- Der letzte gewalttätige Machtkampf fand 2019 statt. Damals kämpften die Anhänger von Ex-Regierungschef Almasbek Atambajew tagelang gegen seine Verhaftung.
Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass der jetzige Volksaufstand nicht überraschend kommt. «In Kirgistan gibt es eine Tradition des Aufstandes gegen den Staat und des Protestes», sagt SRF-Russland Korrespondent David Nauer.
Die Kirgisen seien stolz darauf. «Viele sagen: Wir sind ein Nomadenvolk gewesen, sind freiheitsliebend und lassen uns nicht von einer Zentralmacht einschüchtern», so David Nauer.
In Kirgistan gibt es eine Tradition des Aufstandes gegen den Staat und des Protestes
2005 und 2010 gab es erfolgreiche Volksaufstände gegen die Zentralregierung. Beide Male wurde die Regierung gestürzt.
Trotzdem eine stabile Demokratie
Seit den beiden Revolutionen ist Kirgistan eine parlamentarische Demokratie. Damit unterscheidet sich das Land von den meisten anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, die mehrheitlich autoritär geführt werden. Denn trotz den regelmässigen Unruhen gilt Kirgistan laut David Nauer als Insel der Demokratie in Zentralasien. Wenn auch mit einer erheblichen politischen Instabilität.
Nach dem Sturz von Präsident Kurmanbek Bakijew 2010 hatte die demokratische Politikerin Rosa Otunbajewa die Führung des Landes übernommen. Als erste Frau an der Spitze des Staates hat sie für die Region beispiellose demokratische Reformen angestossen. So hat sie etwa das Parlament gestärkt.
Machtkampf zwischen zwei mächtigen Männern
Zuletzt gab es in dem völlig verarmten Staat, in dem Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 30 Jahren bis heute Einfluss hat, immer wieder Ausbrüchen von Gewalt. Dabei spielen auch ethnische Unterschiede eine Rolle.
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Bild 1 von 5. Tausende Anhänger der Opposition sind am Montag in der Hauptstadt Bischkek gegen die Regierung auf die Strasse gegangen. Sie zweifeln das Wahlresultat der Parlamentswahlen vom Sonntag an und sprechen von Wahlmanipulation. Am Abend kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen, als Demonstrierende das Parlament stürmten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Die Bilder ähneln sich. Bereits 2005 hat sich das Volk erfolgreich gegen die damalige Regierung gestellt. Auch damals haben Vorwürfe wegen Wahlfälschung die Menschen auf die Strasse getrieben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen 2010 sind dutzende Menschen gestorben, hunderte wurden verletzt. Eine Gedenktafel am Regierungsgebäude erinnert an die damaligen Opfer. Im Bild trauert der Mann fünf Jahre nach dem Aufstand um einen Angehörigen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. Die Demonstranten haben auch den ehemaligen Präsidenten Almasbek Atambajew aus dem Gefängnis befreit. Hier im Bild bei seiner Amtseinführung 2011. Er sitzt dort eine 11-jährige Haftstrafe wegen Korruption ab. Der Streit zwischen dem ehemaligen und dem aktuellen Präsidenten Sooronbai Dscheenbekow prägt seit längerem die kirgisische Politik. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 5. Der Streit zwischen den beiden mächtigen Männern ist auch der Grund für die letzten gewalttätigen Auseinandersetzung vor einem Jahr. Damals sollte der ehemalige Präsident Almasbek Atambajew wegen Korruption verhaftet werden. Seine Anhänger verteidigten daraufhin mit Waffengewalt sein Haus, erst nach zwei Tagen gaben sie auf. Bildquelle: Keystone.
Zuletzt hatte sich der Machtkampf zwischen zwei mächtigen Männern zugespitzt. Eigentlich waren der ehemalige Präsident Almasbek Atambajew und der aktuelle Staatschef Sooronbai Dscheenbekow einst Weggefährten. Doch sie haben sich zerstritten und der aktuelle Präsident liess seinen Vorgänger wegen Korruption inhaftieren. Gegen die Verhaftung haben sich die Anhänger Atambajews zwei Tage lang mit Waffengewalt gewehrt. Jetzt haben sie ihn aus dem Gefängnis befreit.
Es geht um persönliche Beziehungen, einzelne starke Männer und Clans, und weniger um politische Inhalte
Für David Nauer zeigt dieser Konflikt die grundsätzlichen Probleme der kirgisischen Politik auf. Die Politik sei stark personalisiert. «Es geht um persönliche Beziehungen, einzelne starke Männer und Clans, und weniger um politische Inhalte». Es sei deshalb auch nicht zu erwarten, dass sich Kirgistan über Nacht in eine ideale Demokratie verwandle, falls sich die Opposition durchsetzen kann.