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Proteste niedergeschlagen Zwei Jahre nach den Unruhen in Kasachstan – so sieht die Lage aus

Im Januar 2022 erschütterten massive Proteste Kasachstan. Wie sie das Land in Zentralasien bis heute prägen.

Worum geht es? Im Januar 2022 kam es in mehreren Städten Kasachstans zu Protesten. Zuerst richteten sie sich gegen gestiegene Treibstoffpreise, dann gegen die autoritäre Regierung selbst. Die Proteste eskalierten, es kam zu Gewalt vonseiten der Polizei und der Demonstrierenden. Regierungsgebäude wurden gestürmt und Geschäfte geplündert. Schliesslich schlugen die kasachischen Sicherheitskräfte die Proteste blutig nieder, auch mit der Unterstützung von Truppen des von Russland angeführten Verteidigungsbündnisses OVKS.

Was geschah mit den Protestierenden? Tausende wurden festgenommen und hunderte angeklagt. In den Gefängnissen wurden viele Verhaftete gefoltert. Bis heute werde viel zu wenig getan, um die Gewalt vonseiten der Sicherheitskräfte aufzuklären, sagen Kritiker der Regierung. Stattdessen würden die Opfer zu Sündenböcken gemacht. «Viele Demonstrierende wurden nach Geständnissen freigelassen. Aber wer sich gegen die Vorwürfe wehrte, dem wird der Prozess gemacht», sagt die Anwältin Ainara Aidarchanowa, die ein Folteropfer vor Gericht vertritt.

Wie reagierte die Regierung? Die Regierung machte zunächst «Banditen und Terroristen» für die Ausschreitungen verantwortlich und versuchte so, ihr hartes Durchgreifen zu rechtfertigen. Später räumte Präsident Kassym-Schomart Tokajew ein, wirtschaftliche Unzufriedenheit habe die Proteste ausgelöst. Er versprach Reformen. Gleichzeitig wurden mehrere hochrangige Beamte entlassen, der Geheimdienstchef wurde wegen Landesverrats für 18 Jahre eingesperrt. In diesem Januar erklärte Tokajew, «Verschwörer» um den letzten Präsidenten, Nursultan Nasarbajew, hätten die Proteste unterwandert und die Macht an sich reissen wollen.

Was hat es mit dieser Verschwörung auf sich? Die Regierung spricht die Rolle von Nasarbajew nicht direkt an, weil dieser Kasachstan fast 30 Jahre lang regierte und in der Staatspropaganda lange als Landesvater verehrt wurde. 2019 dankte er ab und ernannte Tokajew zu seinem Nachfolger, behielt aber erheblichen Einfluss. Es gibt Zeichen, dass Nasarbajew mit Tokajews anschliessendem Kurs nicht zufrieden war. Bis heute ist jedoch unklar, inwiefern Nasarbajew und seine Leute in den Protesten involviert waren. Tokajew hat aber die Macht seines Vorgängers beschnitten und viele Gefolgsleute Nasarbajews aus der Regierung entfernt. Der Volksaufstand hat also einen Konflikt innerhalb der Elite offenbart.

Was haben die Reformen gebracht? Der offizielle Reformkurs und die Zäsur der Proteste haben frischen Wind in die kasachische Zivilgesellschaft gebracht, Bürgerinnen und Bürger wagen jetzt etwas mehr Kritik. Zu dieser Kritik gehört aber auch, dass Tokajews Reformen zu wenig weit gingen, er wolle damit bloss seine angeschlagene Machtstellung legitimieren. Der Präsident verspricht, der Staat werde künftig besser auf das Volk hören, aber Kasachstan bleibt autoritär.  

Echo der Zeit, 23.01.2024, 18:00 Uhr

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