Mehr als zwei Jahre nach dem Mord an dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow hat ein Moskauer Gericht die fünf Angeklagten schuldig gesprochen.
SRF News: Wieso hatten die Geschworenen derart Mühe ein Urteil zu fällen?
David Nauer: Sie müssen das Urteil einstimmig fällen, sonst wird eine weitere, komplizierte Prozedur eingeleitet. Überhaupt ist der ganze Prozess ziemlich kompliziert. Fünf Männer aus der Nordkaukasus-Republik Tschetschenien sind angeklagt, Boris Nemzow ermordet zu haben. Einer von ihnen soll der Todesschütze gewesen sein, die anderen vier Männer sollen ihm geholfen haben. Doch die Beweislage ist nicht bei allen fünf Angeklagten gleich gut.
Gibt es Zweifel daran, dass die wahren Täter gefasst wurden und nun vor Gericht stehen?
Zweifel gibt es bei einem der fünf Angeklagten. Der Mann soll Fahrer der Anschlagsgruppe gewesen sein. Ob er das wirklich war, ist jedoch unklar. Sogar die Familie Nemzows hält die Schuld des Mannes für nicht bewiesen. Bei den anderen vier Männern gehen Prozessbeobachter tatsächlich davon aus, dass es die richtigen Männer sind. Dies betrifft vor allem den Todesschützen.
Was soll das Motiv der Mörder gewesen sein?
Laut Anklage sollen sie aus Geldgier gehandelt haben. Sie sollen von einem weiteren Tschetschenen umgerechnet 240'000 Franken für den Mord an Nemzow angeboten bekommen haben. Doch diese Geschichte ist nicht besonders glaubhaft, denn laut Anklage handelt es sich beim Auftraggeber um einen rangniederen Militär aus Tschetschenien, der sich inzwischen ins Ausland abgesetzt haben soll. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass dieser einfach so von sich aus auf die Idee kam, einen der bekanntesten russischen Oppositionspolitiker ermorden zu lassen. Viel wahrscheinlicher ist, dass viel mächtigere Leute im Hintergrund die Fäden gezogen haben. Doch die russische Justiz hat in dieser Richtung bisher nicht erfolgreich genug ermittelt.
Laut Anklage sollen sie aus Geldgier gehandelt haben.
Wer sollten die mächtigen Auftraggeber im Hintergrund sein?
Die Spuren führen ins engste Umfeld des tschetschenischen Gewaltherrschers Ramsan Kadyrow. Tatsächlich hat der erwähnte rangniedere Militär engste Verbindungen zu mächtigen Leuten in Tschetschenien, die Kadyrow sehr nahe stehen. Doch die russische Justiz scheut sich davor, Kadyrow hart anzufassen und gegen ihn zu ermitteln. Er hat Tausende Männer unter Waffen. Wenn man Kadyrow juristisch angreifen würde, könnte das den ganzen Nordkaukasus politisch destabilisieren Da sagt man sich in Moskau wohl, dass man lieber die Gerechtigkeit opfert, als die relative Stabilität zu riskieren, welche Kadyrow in Tschetschenien garantiert.
Die russische Justiz scheut sich davor, Kadyrow hart anzufassen und gegen ihn zu ermitteln.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.