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Putin-Gegner in Haft Nawalnys Arzt «plötzlich verstorben»

  • Ein russischer Arzt, der den Kremlkritiker Alexej Nawalny direkt nach dem Giftanschlag im vergangenen August behandelte, ist im Alter von 56 Jahren gestorben.
  • Der stellvertretende Chefarzt für Anästhesiologie und Reanimation, Sergej Maksimischin, sei «plötzlich verstorben», teilte die Klinik in der sibirischen Stadt Omsk mit.
  • Nawalny selbst steht erneut vor Gericht – wegen Beleidigung eines Kriegsveteranen. Ihm drohen eine Geldstrafe oder Zwangsarbeit.
  • Nawalnys Anhänger wollen ihre Massenproteste derweil vorübergehend einstellen und erst im Frühjahr fortsetzen.

Nawalnys im Ausland lebender Mitarbeiter Leonid Wolkow sagte dem US-Nachrichtensender CNN, dass der Mediziner zwei Tage lang für die Behandlung des Oppositionellen verantwortlich gewesen war, bis dieser nach Deutschland ausgeflogen wurde. «Er wusste mehr als irgendjemand sonst über Alexejs Zustand.»

Kriegsveteran als «Verräter» beschimpft

Nawalny selbst muss sich derweil erneut vor Gericht verantworten. Er hatte im vergangenen Sommer ein in den Staatsmedien ausgestrahltes Video kritisiert, in dem mehrere Bürger sich für eine Verfassungsänderung aussprachen.

«Schaut sie euch an: Sie sind die Schande des Landes», schrieb Nawalny Anfang Juni auf Twitter über die Menschen in dem Clip und beschimpfte sie als «Verräter». Da einer von ihnen im Zweiten Weltkrieg kämpfte, muss Nawalny sich nun wegen Veteranen-Verleumdung verantworten. Kritiker betrachten die Verfassungsreform als Instrument der Machtsicherung für Kremlchef Wladimir Putin.

EU-Aussenbeauftragter fordert Nawalnys Freilassung in Moskau

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Josep Borell und Sergej Lawrow.
Legende: Keystone

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hat bei Gesprächen in Moskau die Freilassung Alexej Nawalny gefordert und vor einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und Russland gewarnt. Borrell erinnerte bei einer Pressekonferenz mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow daran, dass die EU für Russland der wichtigste Handelspartner und die grösste Quelle für ausländische Direktinvestitionen ist. Für eine gemeinsame Zukunft seien Themen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit, der Zivilgesellschaft und der politischen Freiheit zentral, sagte Borrell.

Auf die Frage nach möglichen neuen EU-Sanktionen wegen der Entwicklungen im Fall Nawalny verwies der Spanier darauf, dass bei einem Aussenministertreffen am 22. Februar mögliche weitere Massnahmen besprochen werden sollen. Zudem wollten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im März mit den Beziehungen zu Russland beschäftigen.

In einem anderen Prozess war Nawalny am Dienstag zu mehreren Jahren Straflager verurteilt worden. Er soll gegen Bewährungsauflagen verstossen haben, während er sich nach einem Giftanschlag in Deutschland aufhielt. Das Urteil war international als politisch motiviert kritisiert worden.

Proteste erst wieder im Frühjahr

Nawalnys Anhänger haben derweil angekündigt, die Massenproteste vorübergehend einzustellen und erst im Frühjahr fortzusetzen. Wenn man nun jede Woche zu Demonstrationen aufrufe, würde die Anzahl der Teilnehmer nach und nach abnehmen – und das würde die Menschen demotivieren, sagte Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow am Donnerstagabend in einem Livestream auf Youtube.

«Das heisst nicht, dass wir komplett auf Proteste verzichten», fügte der Regierungskritiker, der im Ausland lebt, hinzu. Im Frühling und im Sommer werde man «etwas Grosses» auf die Beine stellen. Konzentrieren will sich Nawalnys Team dann vor allem auf die russische Parlamentswahl im September. In den vergangenen Wochen waren Zehntausende für Nawalnys Freilassung und gegen Kremlchef Wladimir Putin auf die Strasse gegangen. Es gab massive Polizeigewalt und Tausende Festnahmen. Wolkow sprach von einem «schrecklich hohen Preis». «Doch er hatte einen Sinn.»

Tagesschau, 2.2.21, 19:30 Uhr ; 

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