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Putins Krieg gegen die Ukraine Kein Ende des Grauens in Sicht

Rund um Kiew werden täglich neue Opfer gefunden, die während der Besatzung der russischen Armee getötet wurden.

Vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine waren die Städte Butscha und Irpin bei Pendlerinnen und Pendlern beliebt wegen der sauberen Luft und der grünen Landschaft in unmittelbarer Nähe zur Hauptstadt Kiew. Innerhalb von wenigen Wochen hat die russische Armee die Städte und das Leben der Menschen um 180 Grad gedreht.

Die Fahrt nach Butscha dauert statt weniger Minuten nun mehrere Stunden. Brücken haben die Russen zerstört und auf den Umfahrungsrouten kontrolliert die ukrainische Armee die Fahrzeuge aller, die passieren wollen.

Während der Besatzung durch die russische Armee war die Fahrt im Auto für die Menschen in der Region lebensgefährlich. «In Butscha wurde auf alle Autos geschossen, die sich bewegt haben. Deswegen war es unmöglich, die getöteten Menschen auf dem Friedhof zu beerdigen. Denn der Friedhof liegt ein wenig ausserhalb und es war unmöglich dorthin zu fahren», erzählt Andri Galawin der ukrainisch-orthodoxe Pfarrer von Butscha.

Der ukrainisch-orthodoxe Pfarrer von Butscha vor seiner Kirche im Gespräch mit SRF.
Legende: Der ukrainisch-orthodoxe Pfarrer von Butscha vor seiner Kirche im Gespräch mit SRF. SRF

Täglich werden neue Leichen entdeckt

Er steht unweit seiner Kirche, die sich noch im Bau befand und von der russischen Armee bereits beschädigt wurde, noch bevor die Kirchgemeinde einziehen konnte.

Das Fenster neben den Eingangstoren haben die Russen eingeschlagen, doch in das Kellergewölbe unterhalb der Kirche sind sie nicht eingedrungen: «An den Türen sind Spuren der Stiefel zu sehen, mit welchen sie versucht haben, die Türen einzutreten», erzählt Galawin kopfschüttelnd.

Durch zerbrochene Kirchenfenster öffnet sich der Blick auf die Wiese vor der Kirche, auf welcher die Einwohner von Butscha in den Wochen der Belagerung die Opfer in Massengräbern beisetzten.

Dieses Fenster wurde im Krieg kaputt geschossen. Draussen zu sehen sind die laufenden Ausgrabungen von Leichen.
Legende: Dieses Fenster wurde im Krieg kaputt geschossen. Draussen läuft die Ausgrabungen der Leichen. SRF

Seitdem die ukrainische Armee die Kontrolle über die Stadt zurückgewonnen hat, werden hier und andernorts in der Stadt täglich neue Leichen entdeckt.

Am Dienstag waren es die Leichen einer Mutter und ihrer zwei Söhne. Da die Leichensäcke in der Stadt längst ausgegangen waren zu diesem Zeitpunkt und neue nicht geliefert werden konnten, wurden die Leichen der Familie in eine Decke gehüllt. Den Versuch, aus Butscha zu fliehen, hat lediglich der Familienvater überlebt. Sein linkes Bein musste bis unter das Knie amputiert werden und aus dem Spitalbett erzählte er gegenüber ukrainischen Medien, wie seine Familie von der russischen Armee beschossen wurde: «Meine Frau und meine Söhne waren sofort tot.»

Französische Forensiker helfen bei den Obduktionen

Zeuge der Ausgrabung wurde diese Woche auch ein Team von französischen Forensikern, welches von der ukrainischen Generalstaatsanwältin vor Ort geführt wurde. Die Spezialisten sind zur Unterstützung der ukrainischen Kolleginnen und Kollegen angereist. Hilfe wird auch im Bereich der Gerichtsmedizin dringend benötigt. Die ukrainischen Untersuchungsbehörden sind mit ihren Kapazitäten zur Dokumentierung der Verbrechen der russischen Armee über alle Masse überfordert.

In Butscha stehen zwei Obduktionstische in der Leichenhalle. Um die städtische Leichenhalle zu entlasten, werden die mehr als 400 Leichen in Leichenhallen der Umgebung gefahren. Doch auch dort ist die Belastungsgrenze längst erreicht und auch in Kühlwägen, die zusätzlich vor Ort gebracht wurden, sind mit Toten überfüllt.

Russische Soldaten sagten, sie seien angelogen worden

Wo die russische Armee in der Umgebung durchgezogen ist, hat sie eine Schneise der Zerstörung hinterlassen. Dörfer zwischen wichtigen Zufahrtsstrassen nach Kiew gerieten zwischen die Fronten von Besatzer und Verteidiger. In zahlreichen Ortschaften hat dies kaum ein Haus unbeschädigt überstanden.

Es heisst, dass bis zu 30 Menschen in unserem Dorf vermisst werden.
Autor: Grigori Bewohner von Andriivka

Grigoris Familie lebt seit über drei Generationen in dem Dorf Andriivka. Nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätte das Dorf so schlimme Zeiten erlebt. Über den Zaun zum Nachbargrundstück unterhielt sich Grigori mit russischen Soldaten: «Die zwei jungen Männer haben geweint, sie haben gesagt, sie würden nicht kämpfen wollen. Man habe sie angelogen und gesagt, sie würden zu einer Militärübung nach Belarus fahren.»

Der Dorfbewohner zeigte SRF  wo er mit den russischen Soldaten über den Zaun hinweg gesprochen hat.
Legende: Der Dorfbewohner Grigori hat die Besetzung durch die russische Armee überlebt und zeigt SRF, wo er mit den russischen Soldaten über den Zaun hinweg gesprochen hat. SRF

Die Soldaten seien hungrig im Dorf angekommen und hätten bei den Menschen um Brot und Eier gefragt. «Wenn jemand Wodka zu Hause hatte, sagten sie: Nur her damit!» Betrunken hätten die russischen Soldaten dann gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war, erzählt Grigori.

Kartonpackungen für Essensrationen liegen in den Ortschaften verstreut, die von russischen Soldaten besetzt waren.
Legende: Diese Kartonpackungen liegen überall in den Ortschaften verstreut, die von den russischen Soldaten besetzt wurden. Es sind Verpackungen der Armeerationen der russischen Armee. Laut Schilderungen von Einwohnern waren diese Rationen jedoch nicht ausreichend, denn die Soldaten zogen hungrig durch die Dörfer und Kleinstädte auf der Suche nach Essen. SRF

Von Ziegen bis zur Waschmaschine schien nichts vor ihnen sicher zu sein. Autos der Dorfbewohner wurden gestohlen und bevor die russischen Soldaten zurückgeschlagen wurden, hätten sie mit Panzern die Autos überrollt, um sie völlig zu zerstören.

Zerstörtes Auto mit dem Buchstaben «V» auf der Motorhaube
Legende: Der Grossbuchstabe «V» ist eines der Symbole des Angriffs der russischen Armee. Die Russen sprayten es auf jene Autos, die sie den Dorfbewohnern zuvor gestohlen hatten. SRF

«Es heisst, dass bis zu 30 Menschen in unserem Dorf vermisst werden. Von einigen ist bekannt, dass sie getötet wurden. Darunter auch ein junger Mann, der an unserer Strasse wohnte. Sie haben ihn erschossen,» so Grigori weiter. Anton starb einen Tag nach seinem 23. Geburtstag. Seine Familie konnte ihn auf dem Dorffriedhof beerdigen. Seine letzte Ruhestätte hat der junge Mann jedoch noch nicht gefunden. Sein Leichnam wird zur Obduktion nochmals ausgegraben werden müssen.

Die Hoffnung, dass die Täter dereinst zur Rechenschaft gezogen werden, können die Menschen in der Ukraine nicht aufgeben.

Laut Aussagen von Grigori und von Nachbarn ist dies das Grab dies eines der Opfer der russischen Besatzer.
Legende: Laut Aussagen von Grigori und von Nachbarn ist dies das Grab eines der Opfer der russischen Besatzer. Anton wurde 23 Jahre alt. SRF

10 vor 10, 14.4.22, 21:50 Uhr

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