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Rahmenabkommen – wie weiter? Juncker offen für Präzisierungen – wenn es schnell geht

  • Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, hat auf den Brief des Schweizer Bundesrates vom 7. Juni reagiert.
  • Dieser hatte sich am Freitag hinter das Institutionelle Abkommen (InstA) mit der EU gestellt, aber in drei Punkten Präzisierungen von der EU gefordert.
  • Juncker will den Rahmenvertrag sobald wie möglich unterzeichnen und dafür mit der Schweiz über Präzisierungen diskutieren. Er drängt aber auf den 18. Juni, wenn die EU-Kommission eine Gesamtbeurteilung vornehmen wird.

Er wolle in diesem Brief «einen positiven Schritt sehen, der erlauben würde, diesen wichtigen Rahmenvertrag sobald wie möglich gemeinsam zu unterzeichnen», schreibt Jean-Claude Juncker in seiner Antwort.

Brief von Jean-Claude Juncker an Ueli Maurer

Daher sei er offen, mit der Schweiz über Präzisierungen zu diskutieren und wenn nötig, das in einer oder mehreren zusätzlichen Deklarationen festzuhalten.

Gleichzeitig drängt Juncker aber auch, diese Präzisierungen schnell auszuarbeiten. In seiner Sitzung vom 18. Juni wolle die EU-Kommission eine Gesamtbeurteilung der Beziehung Schweiz-EU vornehmen.

Schweiz fordert Präzisierungen

In seiner Medienkonferenz hatte der Bundesrat am vergangenen Freitag seine grundsätzliche Zustimmung am ausgehandelten Rahmenabkommen mit der EU geäussert. Er verlangt aber Präzisierungen in drei Punkten:

  • Dem Lohn- und Arbeitnehmerschutz.
  • Den staatlichen Beihilfen (z.B. Staatsgarantien für Kantonalbanken).
  • Der Unionsbürgerrichtlinie.

Der Bundesrat hat die EU-Kommission am Freitag mit einem Brief über diese drei zentralen Punkte in Kenntnis gesetzt.

Einschätzung von SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck

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Wirklich überraschend kommt der Brief aus Brüssel nicht. Bereits nach der Medienkonferenz des Bundesrates am vergangenen Freitag hat die EU durchblicken lassen, dass sie offene Fragen rund ums Rahmenabkommen rasch klären will – sehr rasch.

Um es bildlich auszudrücken: Der Bundesrat hat die Hand ausgestreckt für sogenannte Präzisierungen des Rahmenabkommens, und jetzt ergreift die EU-Kommission diese Hand – und will sie nicht mehr loslassen, bis alles geklärt ist. Den Text des Rahmenabkommens an sich will die EU nicht nachverhandeln, er soll so bleiben wie er ist. Das heisst: Rein rechtlich soll es dieses Abkommen sein oder gar keins. Aber die EU ist bereit, mit dem Bundesrat einzelne Punkte zu klären, bei denen es unterschiedliche Auslegungen des Abkommenstexts und Missverständnisse geben kann.

Im Vordergrund steht einerseits der Lohnschutz . Konkret geht es um die Kontrolle der Arbeitsbedingungen von entsandten EU-Bürgern in der Schweiz. Also zum Beispiel von den Maurern einer deutschen Baufirma, die für bestimmte Zeit auf einer Schweizer Baustelle eingesetzt werden. Daneben geht es um die Rechte von EU-Bürgern , die für unbestimmte Zeit in der Schweiz leben, etwa um deren Aufenthaltsrechte oder den Zugang zur Sozialhilfe.

Zu diesen und noch weiteren Fragen sollen bereits diese Woche Gespräch stattfinden. Am kommenden Dienstag, 18. Juni, wird die Kommission dann beraten, wie es aus ihrer Sicht weiter gehen soll. Insbesondere mit der Anerkennung der Schweizer Börse durch die 28 EU-Staaten. Diese Anerkennung läuft Ende Juni aus, sofern sie von der EU nicht demnächst verlängert wird.

Die EU möchte zumindest einen Teil der Fragen bis dann geklärt haben. Ich schliesse aber nicht aus, dass sie bereit sein wird, über allerletzte Fragen bis Ende Oktober weiterzureden. Dann nämlich endet die Amtszeit der jetzigen Kommission von Präsident Jean-Claude Juncker. Und dann will die EU das Abkommen mit der Schweiz unterschrieben haben.

Leidensweg Rahmenabkommen

2002 – 2008Ein Rahmenabkommen ist im Bundeshaus immer wieder Thema. Es wird aber noch nicht verhandelt.
2008Die EU fordert ein Rahmenabkommen – wegen zunehmenden Unterschieden zwischen dem EU-Recht und den bilateralen Abkommen.

Der Bundesrat wartet zu.
2012
Brüssel droht mit dem Ende des bilateralen Wegs. Kurz später gibt der Bundesrat grünes Licht für Verhandlungen.
2014
Die offiziellen Verhandlungen beginnen, verlaufen aber zäh, wegen der gleichzeitigen Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.

Aussenminister Didier Burkhalter spricht dennoch immer wieder von einem baldigen Durchbruch.
April 2017Bundespräsidentin Doris Leuthard und EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker kündigen eine Vereinbarung auf Ende 2017 an.

Der Bundesrat wartet weiter zu.
November 2017Juncker gibt in Bern einen neuen Termin vor: April 2018.
Kurz daraufDie EU anerkennt die Schweizer Börse nur befristet für ein Jahr. Begründung ist die Hinhaltetaktik der Schweiz.
Frühling 2018Der damalige Bundespräsident Alain Berset präsentiert die neue Strategie und erklärt die Lohnschutzmassnahmen zu roten Linien für die Verhandlungen. In einem Interview gibt Juncker der Schweizer Regierung eine neue Frist bis Ende 2018 vor.
Dezember 2018Der Bundesrat präsentiert das Abkommen – lässt aber offen, ob er es unterzeichnen werde – und schickt es zur Konsultation an die Parteien und die Wirtschaft.
7. Juni 2019Der Bundesrat entscheidet, seinen europapolitischen Kurs und damit den bilateralen Weg fortzusetzen. Darum hält er prinzipiell am Institutionellen Abkommen (InstA). Verlangt werden aber Präzisierungen beim Lohnschutz, bei staatlichen Beihilfen und bei der Unionsbürgerrichtlinie.

Der Bundesrat setzt für eine Einigung über die strittigen Punkte mit der EU keinen Termin.

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