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Raketenangriff in Kiew «Russland zeigt der UNO und Guterres den Stinkefinger»

Der UNO-Generalsekretär hat in der ukrainischen Hauptstadt Kiew den Präsidenten Wolodimir Selenski getroffen. Russische Truppen haben die Stadt während des Besuchs mit Raketen beschossen. Ein Zufall? António Guterres sei schockiert, aber in Sicherheit, sagte ein UNO-Sprecher. Der diplomatische SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger stuft den Angriff Russlands ein.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF News: War das eine gezielte Provokation von Russland?

Fredy Gsteiger: Genau wissen wir das natürlich nicht, denn Moskau hat sich bisher nicht zu diesem Raketenangriff geäussert. Aber in der Wirkung ist es natürlich eine Provokation. Man zeigt der UNO und ihrem obersten Chef António Guterres den Stinkefinger.

In der Wirkung ist der Angriff eine Provokation.
Autor:

Auffallend war bereits am Dienstag, als Guterres in Moskau bei Aussenminister Lawrow und Präsident Putin war, dass Russland nicht etwa aus Geste guten Willens die Kämpfe in der Ukraine ausgesetzt hat. Es hat sie an dem Tag sogar noch intensiviert. Es signalisierte damit: An einer UNO-Vermittlung in diesem Konflikt – und zwar gemäss den Prinzipien der UNO-Charta, die Wiederherstellung der vollen Souveränität der Ukraine – an einer solchen Vermittlung ist man in Moskau nicht interessiert.

Was wollte Moskau mit diesem Raketenangriff erreichen?

Ganz offenkundig ist, dass es keine militärischen Ziele erreichen wollte. Der Angriff galt einem Wohngebiet, nicht weit vom Hotel von Guterres' Delegation entfernt. Und wenn keine militärischen Ziele damit angestrebt werden, dann sind es natürlich politische Ziele. Eines davon ist Einschüchterung. Man signalisiert damit, dass die Hauptstadt Kiew auch nach dem Abzug der russischen Truppen nicht sicher ist. Man drückt gleichzeitig seitens Moskau sein Missfallen darüber aus, was Guterres zunächst in Moskau und nun auch in Kiew gesagt hat; nämlich dass Russland das Völkerrecht, die UNO-Charta verletzt, dass die Täter vor die internationale Justiz gehören – auch die Drahtzieher.

Wenn keine militärischen Ziele damit angestrebt werden, dann sind es natürlich politische Ziele.
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Bemerkenswert war vor allem eine Aussage von Guterres während seines Besuches: Dieser Krieg endet nicht wegen politischer Spitzentreffen. Dieser Krieg endet erst dann, wenn die russische Führung entscheidet, ihn zu beenden. Damit weist er die Verantwortung für eine Lösungsfindung klar Moskau zu.

Aus einem Wohnhaus in Kiew steigen Flammen.
Legende: Ein Wohnhaus wurde unter anderem bei den russischen Raketenangriffen getroffen. Das deute auf politische Ziele, so Fredy Gsteiger. Keystone

Was sagt dieser Angriff über die aktuelle Strategie Russlands aus?

Es ist eine Strategie der Unnachgiebigkeit, der Rücksichtslosigkeit. Man lenkt nach Schwierigkeiten in diesen Operationen nicht etwa ein, sondern man intensiviert das Vorgehen. Das deckt sich auch mit den Äusserungen der russischen Militärführung in dieser Woche. Man werde künftig bei Angriffen auf die Ukraine, auf Kiew insbesondere, keine Rücksicht mehr auf die Anwesenheit westlicher Politiker nehmen.

Die Rücksichtslosigkeit Russlands zielt auf die Zermürbung des Gegners.
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Das ist eine Drohung. Das zielt auf die Zermürbung des Gegners, wird aber möglicherweise im Effekt den Widerstandsgeist eher stärken. Und vor allem auch die Bereitschaft, im Ausland die Ukraine noch stärker zu unterstützen.

Das Gespräch führte Raphaël Günther.

SRF 4 News, Heute Morgen, 29.04.2022, 6 Uhr ; 

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