Präsidentschaftskampagnen in den USA beginnen nicht nach einer festgelegten Order. Irgendwann im Verlaufe eines Wahlkampfs blickt man zurück und stellt fest: Das war der Moment. Vielleicht war der Auftritt von Donald Trump mitten in der Wüste von Arizona dieser Auftakt. Vielleicht auch nicht. Klar ist nur: Wenn er es will, dann wird es so sein.
Denn in der republikanischen Partei dreht sich auch 2022 alles um den Ex-Präsidenten, der 2020 die Wahl gegen Joe Biden verlor – und dies bis heute nicht anerkennen will. Der die Lüge von der gestohlenen Wahl wiederholt und nochmals wiederholt, wie in einer Endlosschleife. So wie auch an diesem Abend in Florence, Arizona, wo er in der Nacht auf Sonntag seinen ersten grossen Auftritt 2022 feiert. «Wir holen uns die Präsidentschaft zurück», ruft Trump in dieser Nacht jedenfalls seinen Anhängern zu. Die Menge jubelt.
Auftritt auf der Country-Ranch
Die Canyon Moon Ranch, auf der Trump auftritt, ist ein riesiges Gelände, eine gute Autostunde ausserhalb von Phoenix, der Hauptstadt dieses Staates mit seiner so überwältigenden Landschaft. Trockener Wüstenwind bläst Sand und Staub über die kurz gemähten Stoppelfelder, die als Parkplatz dienen.
Trumps Auftritt in Arizona in Bildern
Das Knattern der vielen Trump-Flaggen übertönt sogar die Countrymusik, die aus den Lautsprechern dröhnt. Die Szenerie ist so Klischee-getränkt, dass es schon fast kitschig ist. Einmal im Jahr findet hier ein grosses Country-Festival statt.
Trumps Anhänger stehen stundenlang in der Hitze Arizonas, um ihn sprechen zu hören. Eine Frau, die aus dem weit entfernten Connecticut stammt und es dort kaum mehr aushält, «weil die Republikaner in Connecticut alles RINO’s sind», also ‘Republicans in name only’, Republikaner, die sich nur noch so nennen, und die gemäss der resoluten Mittvierzigerin «so liberal sind, dass sie eigentlich schon fast Demokraten sind», holt sich extra ihre Trump-Mütze aus dem Auto, um mit uns zu sprechen.
Ich hoffe, dass Trump dieses Land für meine Kinder und meine Enkelkinder rettet.
Ihren Namen will sie zwar lieber nicht nennen, und ihr Mann will schon gar nicht ins Bild. Doch den Mund verschliessen mag sie auch nicht: «Ich hoffe, dass Trump dieses Land für meine Kinder und meine Enkelkinder rettet. Was in den USA geschieht, macht mir Angst!» Sie sieht sich von Kommunisten umzingelt und findet sich damit in guter Gesellschaft an diesem Ort: «Was Joe Biden und die Demokraten machen, führt uns direkt in den Sozialismus», ruft sie. Und meint es todernst.
Die Lüge von der «gestohlenen Wahl»
Dass Trump seine erste grosse Kundgebung in diesem für Republikaner wie Demokraten so wichtigen Zwischenwahljahr in Arizona abhält, ist kein Zufall. Reihenweise treten von Trump unterstützte Kandidatinnen und Kandidaten für kommende Wahlen auf. Ihre wichtigste Botschaft: Trump habe die Wahl gegen Biden nicht verloren, sie sei ihm gestohlen worden. Auch hier in Arizona. Wer die längst widerlegte Lüge des Wahlbetrugs wiederholt, hat Trumps Unterstützung. Wer nicht, wird von ihm niedergemacht.
Es ist der zentrale Punkt, um den sich innerhalb der republikanischen Partei fast alles dreht. Genauso wie in den Köpfen der Demokraten. Bidens wütende Georgia-Rede diese Woche gegen die laufende Unterwanderung der Wahlstrukturen durch Trumps Republikaner ist der politische Beweis dafür. Genauso wie sein verzweifelter – und angesichts der Kräfteverhältnisse im Kongress wohl vergebene – Kampf für Wahlrechtsreformen.
«Zehn Monate vor den Zwischenwahlen 2022 ist das politische Washington mit dem Kopf schon vollauf im Jahr 2024», schreibt die Zeitschrift «Politico». Und stellt fest: «Trump hat seine Gabe, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, nicht verloren. Die Nomination scheint ihm praktisch sicher.» Und fügt an: «Falls er es will.»
Trump ist Dreh- und Angelpunkt
Es ist tatsächlich so: Die Demokraten können noch so versuchen, nicht von Trump zu reden. Was immer sie tun und sagen, wird sofort mit Trump in Verbindung gebracht. «Alles, was die Demokraten tun, wird sofort kritisiert», zitiert «Politico» einen demokratischen Insider, der wie so viele dieser Tage lieber nicht genannt werden will.
«Dann wird es mit Trump verglichen, wird analysiert, wie die Republikaner in den Zwischenwahlen dagegen Stimmung machen werden, und dann wird spekuliert, wie Trump auf der auf die Zwischenwahlen folgenden republikanischen Welle gegen die Demokraten Wahlkampf betreiben wird.» Trump ist der Dreh- und Angelpunkt, um den sich die Politik in den USA dreht. Auf Seiten der Republikaner wie auf derjenigen der Demokraten.
An diesem Abend in Arizona spult Trump routiniert sein Programm ab. Joe Biden wird ins Lächerliche gezogen, seinen Top-Virologen Fauci will die skandierende Menge hinter Gittern sehen, der Abzug aus Afghanistan war ein Skandal, die Wirtschaft sieht Trump am Boden – und überhaupt: «Wir hatten im letzten Jahr mehr Probleme und es wurde mehr kaputt gemacht als unter fünf Präsidenten zuvor.»
Wir hatten im letzten Jahr mehr Probleme, und es wurde mehr kaputt gemacht als unter fünf Präsidenten zuvor.
Und dass seine Wahlniederlage gegen Biden keine Niederlage sein könne, begründet Trump auch an diesem Abend ganz einfach: «Niemand hatte je eine Bewegung wie diese. Niemand hatte je einen Geist wie diesen oder einen Menschenauflauf wie diesen.» Dass sich da die ersten schon wieder auf den Heimweg gemacht hatten, wird Trump wohl nicht mitbekommen haben. Muss er auch nicht. Es wird sich trotzdem weiterhin alles um ihn drehen.