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Regierungskrise in Frankreich Stimmungsbericht aus Parthenay: «Höre ihnen nicht mehr zu»

Frankreich sorgt derzeit für Negativschlagzeilen wegen rekordhoher Schulden und einer politischen Blockade. Ein Stimmungsbericht aus Parthenay.

Mathieu ist Viehzüchter in Parthenay. Die Landwirtschaftsmesse ist ein wichtiger Anlass für ihn. Viehzüchter sei nicht nur sein Beruf, sondern auch seine Leidenschaft.

Auf die französische Politik angesprochen, winkt Mathieu ab. «Die Politiker in Paris benehmen sich wie im Kindergarten. Ich höre ihnen nicht einmal mehr zu.» Er habe das Vertrauen in die verschiedenen Parteien verloren: «Ich glaube weder der Rechten noch der Linken oder der Mitte.»

Ein Mann steht neben seinen Kühen und spricht ins SRF-Mikrofon.
Legende: «Ich glaube an die Landwirtschaft und an die lokalen Politiker», sagt Landwirt Mathieu. SRF

Frankreich zu regieren, sei sicher eine schwierige Aufgabe wegen der verschiedenen Erwartungen aus der gespaltenen Gesellschaft, räumt der Viehzüchter ein.

Und betont, die Lokalpolitiker seien von seinem Groll ausgenommen: «Die einheimischen Politiker machen einen guten Job.»

Mehrere Personen mit Pokalen «Prix Prestige 2025» stehen auf einer Bühne.
Legende: Jean-Michel Prieur, Stadtpräsident von Parthenay, fordert Kompromisse von Politikern. SRF

Jean-Michel Prieur schüttelt an der Messe Dutzende Hände und unterhält sich mit den Menschen – hier kennt fast jeder den umtriebigen Mitte-rechts-Politiker ohne Parteistempel.

Er versteht den Frust der Bevölkerung: «In unserem Gemeinderat sind wir von der republikanischen Linken bis zur republikanischen Rechten breit aufgestellt und finden relativ leicht Kompromisse.»

Stadt.
Legende: Die 10'000-Einwohner-Gemeinde Parthenay fühlt sich von Paris nicht ernst genommen. SRF/Miriam Mathis

Der Lokalpolitiker sieht die nationale Politik in der Pflicht, von festgefahrenen Positionen abzuweichen, «um möglichst viele Menschen zufriedenzustellen».

Der Stadtpräsident geht sogar so weit, die Verfassung der fünften Republik infrage zu stellen: «Vielleicht sind wir auch am Ende eines Systems, am Ende einer Verfassung, da das aktuelle System nicht mehr zur gespaltenen Gesellschaft passt.»

Der Schuldenberg und die Frage der Gerechtigkeit

Auch die astronomische Staatsverschuldung von 3.4 Billionen Euro ist in der Provinz vermehrt ein Thema. Austernzüchter Maurice Rousseau fordert einen Abbau der Schulden, «vor allem für die zukünftigen Generationen». Doch wie? Die Meinungen gehen sowohl bei Politikern als auch in der Bevölkerung weit auseinander.

Mann.
Legende: Austernzüchter Maurice Rousseau fordert einen Abbau der Schulden. SRF/Mirjam Mathis

Die Rentnerin Danielle Métayer kritisiert, dass es in Frankreich keinen grossen Unterschied zwischen Mindestlohn und Arbeitslosengeld gebe: «Den Leuten, die nicht arbeiten, wird stark geholfen.»

Sobald man aber einen Mindestlohn habe, heisse es, man müsse selbst schauen. Sie schlägt vor, «die Arbeitslosengelder zu kürzen, vielleicht wäre das ein grösserer Anreiz, zu arbeiten.»

Ein 58-jähriger Mann steht in einer Halle mit Stieren, Kühen und Rindern.
Legende: Raynald Gatineau möchte Steuererhöhungen für Reiche. SRF

Fabrikarbeiter Raynald Gatineau versteht nicht, dass nun die ganze Bevölkerung sparen müsse: «Jetzt sollen die Arbeiter zur Kasse gebeten werden, während es Menschen gibt, die immer reicher werden und ihr Vermögen im letzten Jahrzehnt verdoppelt oder verdreifacht haben.»

Leben trotz Krise

Trotz aller Sorgen und Frustrationen zeigen viele Franzosen eine bemerkenswerte Resilienz. «Man sollte trotzdem das Leben geniessen und das Beste daraus machen», sagt LKW-Fahrer Etienne Bernardin, der mit seiner Familie die Messe besucht. Seine Frau Lucie Charrier fügt hinzu: «Es ist ja nicht alles schlecht, und nicht jeder Mensch in Frankreich ist wütend.»

An der Messe in Parthenay ist mit den Landwirtschaftsschulen auch die Zukunft vertreten.

Fünf junge Frauen lachen in die Kamera und zeigen ihre drei Schafe.
Legende: Die Landwirtschaftsschule aus Melle gewinnt mit ihren Schafen. Die 20-jährige Muriel Leboucher ist ganz rechts im Bild. SRF

Durch die vielen Regierungswechsel fehlt Muriel Leboucher eine klare Vision für die Landwirtschaftspolitik. «Es gibt viele Unsicherheiten. Die Züchter brauchen eine Perspektive. Und derzeit ist nicht klar, was uns erwartet.»

Heute aber freut sich die 20-Jährige und mit ihr Parthenay über den Preis für die schönsten Schafe aus dem Departement Vendée.

10vor10, 3.10.2025, 21:50 Uhr;brus

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