Frankreich kann ohne Reformen des hoch verschuldeten Staatshaushaltes unter grossen Druck geraten. Und mit dem Land der gesamte Euroraum, sagt die Ökonomin und Uni-Dozentin Alexandra Janssen.
SRF News: Frankreich hat ein strukturelles Schuldenproblem und diese Schulden wachsen rasant. Was bedeutet das für den Staatshaushalt?
Alexandra Janssen: Frankreich bezahlt inzwischen für seine Schulden mehr Zinsen als das Land zum Beispiel für das Militär ausgibt. Das heisst, der Budgetposten für diese Schulden ist inzwischen riesig. Und das schränkt natürlich ein, wie viele Ausgaben in anderen Bereichen gemacht werden können. Das macht Strukturreformen umso dringender.
Frankreich ist Teil des Euroraums. Welche Schwierigkeiten ergeben sich daraus für die Europäische Zentralbank (EZB)?
Die Herausforderung der EZB ist der Leitzins, den sie festlegt und der für alle Staaten des Euroraums gilt. Darüber hinaus gibt es dann aber auch Risikoaufschläge. Frankreich bezahlt nicht nur den geldpolitischen Zinssatz auf seinen Schulden, sondern einen Zins mit einem Risikoaufschlag. Die Märkte reagieren natürlich auf die Situation Frankreichs, und die EZB kann das nicht beeinflussen
Welche Möglichkeiten hat die EZB, um Frankreich zu unterstützen?
Die damalige Rede von Mario Draghi mit der Aussage «whatever it takes» [«koste es, was es wolle»] wirkt hier natürlich nach. Die Märkte erwarten, dass die EZB im Extremfall eingreifen und die Zinsen senken würde für Frankreich. Und alleine diese Erwartung wirkt bereits und führt dazu, dass Frankreich weniger Zinsen auf seine Schulden bezahlt, als es sonst bezahlen müsste.
Wie gross ist das Risiko, dass die Eurozone als Ganzes ins Taumeln gerät, wenn Frankreichs Schulden weiterhin so stark zunehmen?
Wenn sich eine Verbesserung abzeichnet, hat das eine positive Wirkung. Wenn nicht, muss man sich darüber im Klaren sein, dass Frankreich das zweitgrösste Land der Eurozone ist. Das hat einen riesigen Einfluss. Und die Verbindung zwischen der Ökonomie eines Landes wie Frankreich und dem Euro ist sehr gross. Das heisst, wenn Frankreich unter Druck gerät, wird auch der Euro unter Druck kommen.
Es braucht Reformwillen, sprich den Druck der Märkte als Disziplinierungsmassnahme. Und in Frankreich wird das nicht ohne Strukturreformen gehen.
Vor einigen Jahren hatten Portugal, Italien, Griechenland und Spanien dasselbe Problem. Sie konnten die Schulden massiv senken. Wie kann Frankreich ein ähnlicher Befreiungsschlag gelingen?
Das sind harte Reformen, die diese Staaten durchgemacht haben. Das ist eine schwierige Zeit, auch für die Bevölkerung. Es braucht einen Reformwillen, sprich den Druck der Märkte als Disziplinierungsmassnahme. Und in Frankreich wird das nicht ohne Strukturreformen gehen. Hier kann das Land nicht auf die EZB zählen.
Das heisst, die EZB steckt im Dilemma: Wenn sie Frankreich hilft, nützt das nur kurzfristig, weil dem Land mit der Hilfe der Anreiz fehlt, Reformen zu ergreifen?
Genau, das Anreizproblem, das sich ergibt aus den möglichen Handlungen der EZB, ist relativ gross. Wenn die Märkte erwarten, dass die EZB eingreifen könnte, senkt das die Zinsen und damit den Reformdruck in Frankreich. Und diese falschen Anreize sind ein Teil des Problems für die Eurozone.
Das Gespräch führte Marco Schnurrenberger.