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Regierungskrise in Italien Wenig Vertrauen in Giuseppe Conte

Gestürzt ist Italiens Premierminister Giuseppe Conte nicht. Aber er ist deutlich geschwächt. Denn Conte hat die Vertrauensabstimmungen nur knapp überstanden. In der kleinen Parlamentskammer, im Senat, reichte es der Regierung Conte nur für eine relative Mehrheit.

Conte kann weiterregieren – unter komplizierteren Bedingungen

Unter dem Strich heisst das: Conte kann weiterregieren. Aber es wird viel komplizierter. Denn für einige ganz wichtige Abstimmungen, für Budgetentscheide etwa, wird die Regierung eine absolute Mehrheit benötigen (mehr als die Hälfte aller Abgeordneten). Im Senat hat die Regierung diese Stimmen derzeit nicht.

Das macht Conte erpressbar. Er wird nun versuchen müssen, schnell weitere Senatorinnen und Senatoren zu gewinnen und an sich zu binden. Gratis wird das nicht zu haben sein.

Die von Conte umworbenen Senatorinnen und Senatoren werden bald ihre Rechnung präsentieren. Sie werden Posten in der Regierung verlangen. Und sie werden inhaltliche Forderungen stellen. Zum Beispiel beim Wahlrecht, das bald ins Parlament kommt.

Die Senatorinnen und Senatoren, mit deren Hilfe Conte nun regieren will, haben eine Gemeinsamkeit: sie gehören alle Klein- oder Kleinstparteien an. Die überleben nur, wenn Italien sein Parlament im Proporz, also im Verhältniswahlrecht, bestimmt. Als Zugeständnis wird Contes Regierung ein Wahlgesetz vorschlagen müssen, das Kleinparteien bevorzugt. Was allerdings zu noch grösserer politischer Zersplitterung führen wird. Eine Hypothek.

Schon zwei Regierungskrisen überstanden

Ob die dünn gewordene Basis der Regierung Conte ausreicht, die grossen Probleme anzugehen, ist fraglich. Die Pandemie und die damit verbundene beispiellose Wirtschaftskrise sind enorme Herausforderungen. Dafür bräuchte Italien eine stabile, handlungsfähige Regierung.

Immerhin kann Conte für sich beanspruchen, bisher zwei schwere Regierungskrisen überstanden zu haben. 2019 gewann er das Duell gegen Lega-Chef Matteo Salvini und nun hielt er dem Frontalangriff von Ex-Premier Matteo Renzi stand. Doch gestärkt hat ihn das nicht.

Contes Strategie könnte es nun sein, sich mit seiner knappen Parlamentsmehrheit bis in den Sommer zu schleppen. Ab dann ist die Auflösung des Parlaments nicht mehr möglich. Denn in den sechs Monaten vor der Wahl eines neuen Staatspräsidenten, die im Frühjahr 2022 ansteht, darf Italien nicht wählen. So will es die Verfassung. Das könnte Conte eine Verschnaufpause verschaffen – aber kaum neue Kraft.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

SRF 4 News, 20.01.21, 05:00 Uhr

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