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Region Darfur im Westsudan Im Sudan brennt es nicht nur in der Hauptstadt

Die Menschen in Dschunaina kämpfen ums Überleben. Fliehen können sie nicht, obwohl die Grenze zum Nachbarland Tschad nur wenige Kilometer entfernt ist. Einblick in eine Stadt am Abgrund.

Die Nachrichten aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum überschlagen sich derzeit. Doch im ostafrikanischen Land gibt es einen weiteren Brennpunkt: die Stadt Dschunaina. Sie liegt im Westen des Landes und ist die zweitgrösste Stadt der Region Darfur. Milizen haben die Stadt angegriffen und Bewohnerinnen und Bewohner ausgeplündert und getötet. Bilder zeigen verkohlte Ruinen von Märkten und Flüchtlingscamps.

Alle wichtigen Einrichtungen in Dschunaina seien zerstört worden, erklärt Yousif Abdullah. «Der Markt der Stadt wurde geplündert. Viele Läden, alle Regierungsgebäude, Polizeiposten und Spitäler zerstört.»

Noch immer sterben Leute, weil sie nicht behandelt werden können.
Autor: Yousif Abdullah Jurist aus Dschunaina

Der 29-jährige Jurist organisiert mit Freunden Hilfe für die Anwohner und zählt die Toten. «Bis heute sind es 231 Tote, dazu kommen 300 Verletzte. Noch immer sterben Leute, weil sie nicht behandelt werden können.»

Dschunaina im Strudel der Gewalt

Vor einer Woche kam es zuerst zu Kämpfen zwischen der sudanesischen Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces in Dschunaina. Dann eskalierte die Situation vollends: Arabischstämmige Milizen hätten nicht-arabische Quartiere angegriffen, heisst es.

Es ist die Folge früherer Gewaltakte. (...) Aber auch der aktuelle Konflikt des Militärs im Sudan spielt mit.
Autor: Mohamed Osman Wissenschaftler bei Human Rights Watch

Die Stadt Dschunaina ist seit längerem ein Brennpunkt der Gewalt zwischen verschiedenen Milizen und Clans. Dies, weil sie in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten, erklärt Mohamed Osman von der Organisation Human Rights Watch. «Es ist die Folge früherer Gewaltakte. Die Gemeinschaften haben sich nach Angriffen bewaffnet. Aber auch der aktuelle Konflikt des Militärs im Sudan spielt mit.» So sei es zur Gewalt gekommen, die dann bewusst gegen Zivilisten und Vertriebene gerichtet wurde.

Hält die neueste Waffenruhe?

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Dank Vermittlung des Südsudans haben sich die rivalisierenden Generäle im Sudan auf eine siebentägige Waffenruhe geeinigt. Sie soll am Donnerstag beginnen.

Samuel Burri betont, dass diese Waffenruhe äusserst wichtig sei: «Immer mehr Leuten fehlt es an Überlebensnotwendigem, an Wasser, an Nahrungsmitteln.» Über 300'000 Menschen seien unterdessen innerhalb des Sudans geflüchtet, rund 100'000 Menschen hätten das Land bisher verlassen. Das sind die Schätzungen der UNO.

Leider sei es unwahrscheinlich, dass die Waffenruhe tatsächlich halten werde, meint Burri. «Bisherige Vereinbarungen waren eigentlich das Papier nicht wert, auf dem sie verkündet wurden.»

Zehntausende Menschen aus der Region Darfur sind insgesamt bereits ins Nachbarland Tschad geflüchtet. Aber obwohl es nur 20 Kilometer von Dschunaina bis zur Landesgrenze seien, sässen die Menschen in der Stadt fest, erzählt Jurist Abdallah. «Man kommt nicht nach Tschad. Die Strasse ist zu gefährlich. Die Menschen getrauen sich nicht einmal, Feuerholz zu sammeln.» 

Es werde wieder zu Gewalt kommen, glaubt Abdallah. «Hundertprozentig! Dschunaina besitzt keine schützende Armee. Die Stadt ist offen. Aber ich hoffe natürlich, dass es nicht mehr so weit kommt.»        

Menschen gehen zwischen verstreuten Gegenständen auf dem Markt
Legende: Menschen auf dem Markt von Dschunaina am 29. April 2023. AFP

Immerhin haben es andere Städte in der Region Darfur geschafft, dass es bisher nicht zu so massiven Kämpfen gekommen ist wie in Dschunaina. Eine Rolle dabei spielten lokale Vermittler, erklärt Menschenrechtsexperte Osman. «Die lokalen Initiativen von Stammesführern und von religiösen Leadern halfen. Sie konnten die Armee und die Rapid Support Forces teilweise überzeugen, ihre Kämpfe nicht in den Städten auszutragen.»               

In Dschunaina hat das nicht geklappt. Die Menschen trauen sich kaum auf die Strasse in diesen Tagen. Man hilft sich mit Nahrungsmitteln aus, aber der Alltag bleibt eine Herausforderung. Hilfe von aussen sei derzeit unmöglich, erklärt Osman und schliesst: «Wenn man die Gewalt überlebt hat, dann muss man noch das Leben in Darfur überleben.»          

Samuel Burri

Afrika-Korrespondent

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Samuel Burri berichtet seit 2017 für SRF über das Geschehen in Afrika. Er lebt in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. Der studierte Historiker war vor seinem Engagement bei SRF als freier Journalist in Ghana und Westafrika tätig.

Rendez-vous, 03.05.2023, 12:00 Uhr

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