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Reisen nach der Impfung Machtkampf um das digitale EU-Impfzertifikat

Beim EU-Impfpass gibt es Differenzen zwischen Parlament und Mitgliedsländern. Es könnte zu Verzögerungen kommen.

Jedes Wort habe seine Bedeutung, sagte der Fraktionssprecher der Europäischen Volkspartei bei der Debatte im Europäischen Parlament.

Der Namensvorschlag der EU-Kommission für den EU-Impfpass – «digitales, grünes Zertifikat» – sei unbrauchbar, so der Niederländer Jeroen Lenaers. «EU-Covid-19-Zertifikat», sei viel besser.

Impfpass soll freies Reisen ermöglichen

Tatsächlich hat jedes Wort seine Bedeutung. Die Differenz beim Namen soll in den Augen des EU-Parlaments nämlich deutlich machen, worum es bei der Einführung dieses Impfpasses eigentlich geht: Um eine Garantie für alle Bürgerinnen und Bürger für freies Reisen in der EU, sagte Sophia in't Veld, Sprecherin der liberalen Gruppe Renew Europe.

Es gehe nicht nur um Menschen, die in die Ferien fahren wollten, sondern um Arbeitnehmende, die darauf angewiesen seien, sich frei bewegen zu können.

Ein europaweiter Impfpass als Garantie, sich frei bewegen zu können: Für einmal stimmen sogar die EU-kritischen Kräfte im Parlament diesem Grundsatz zu. Ein solches Covid-19-Zertifikat verhindere Diskriminierung zwischen EU-Staaten, sagte etwa Nicola Procaccini, von den rechts-nationalen Fratelli d'Italia.

Parlament gegen Mitgliedsländer

Damit stellt sich das EU-Parlament, nicht zum ersten Mal in der Corona-Pandemie, grundlegend gegen einen Vorschlag der 27 EU-Mitgliedsländer. Diese haben sich bloss auf gemeinsame Standards für den Datenaustausch der Zertifikate geeinigt.

Jedes Land soll aber weiterhin selber entscheiden können, welche Einschränkungen für EU-Bürgerinnen und Bürger gelten – Impfpass hin oder her. Das sei unhaltbar, sagte die deutsche Brigit Sippel von den Sozialdemokraten Europas.

Die 27-Mitgliedsstaaten seien jetzt gefordert: «Sind sie nach über einem Jahr endlich in der Lage, einen koordinierten, gemeinsamen Ansatz zu Reisebeschränkungen und deren Aufhebung zu finden – oder wird es nur ein neuer Flickenteppich?», fragte Sippel rhetorisch.

Es könnte zu Verzögerungen kommen

Klar ist jetzt vor allem eins: Beim EU-Impfpass zeichnet sich ein Machtkampf ab. Das verlängert Debatten, verzögert Entscheidungen und verhärtet die Fronten. Dazwischen versucht die EU-Kommission, etwas verzweifelt, einen Weg durch die Mitte zu finden.

EU-Justizkommissar Didier Reynders, Belgier, und darum geübt im Suchen von fast unmöglichen Kompromissen, argumentierte mit Blick auf die grossen Differenzen nur noch mit der drängenden Zeit: Rasches Handeln sei nun gefragt, sagte er. Sonst drohe der Absturz. Alles sei dem Ziel, die Einführung des Corona-Impf-Zertifikates vor dem Sommerferien nicht zu gefährden, unterzuordnen.

Es bleiben nur wenige Wochen, um einen Ausweg aus der Blockade zu finden. In Kürze sollen die Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedsländern beginnen.

SRF 4 News, Rendez-vous vom 28.4.2021, 12.30 Uhr ; 

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