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Rekordstreik im britischen NHS Assistenzärztinnen und -ärzte in England machen eine Woche dicht

Die «Junior Doctors» gehen ab heute aufs Ganze. Der längste Streik im Gesundheitssystem NHS ist angelaufen. 35 Prozent mehr Lohn sollen das Niveau von 2009 wiederherstellen.

Was bisher geschah: Bereits während 28 Tagen haben die englischen Assistenzärztinnen und -ärzte im vergangenen Jahr zu verschiedenen Zeiten gestreikt, erstmals im März. Der letzte Streik fand kurz vor Weihnachten statt und dauerte drei Tage. Die «Junior Doctors» fordern eine Lohnerhöhung von 35 Prozent und sprechen dabei unter Verweis auch auf die Zahlen des britischen Rechnungshofs nicht von einer «Lohnerhöhung», sondern von einer «Wiederherstellung» des Lohns auf dem Niveau, wie es vor 15 Jahren war.  

Stand der Verhandlungen: Die Gespräche zwischen dem Ärzteverband «British Medical Association» und dem Gesundheitsministerium stecken zurzeit fest. Die britische Regierung ist bisher zu einer Lohnerhöhung von ungefähr neun Prozent bereit, da mehr derzeit nicht drin liege. Die Hoffnungen, dass die neue Gesundheitsministerin Victoria Atkins mit einem verbesserten Angebot vor die Ärzteschaft treten würde, haben sich zerschlagen. Die Ärztegewerkschaft hat darauf beschlossen, zu eskalieren und einen sechstägigen Streit auszurufen. Einen derart langen Streik hat das Gesundheitssystem NHS nach eigenen Angaben noch nie erlebt.

Die Argumente der Streikenden: Die Assistenzärztinnen und -ärzte betonten wiederholt, dass es um mehr als ihren Lohn gehe, erklärt Peter Stäuber, freier Journalist in London. Denn ohne bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung könnten nicht genügend Mitarbeiter rekrutiert und gehalten werden, um die akuten Personalengpässe im NHS zu stopfen. Sie verwiesen auf die unzähligen Kolleginnen und Kollegen, die nach Neuseeland, Australien und in andere Länder abwanderten, weil die dortigen Bedingungen besser sind.

Die Folgen des Streiks für die Spitäler: Vertreter des NHS gehen davon aus, dass durch den jetzigen Streik bis zu 80'000 Behandlungen oder Untersuchungen verschoben werden müssen. Dadurch werden die bereits rekordlangen Wartelisten noch länger. Auch gibt es Warnungen, dass die Sicherheit der Patienten gefährdet sein könnte. Denn derzeit geht eine Grippe- und Covid-Welle durch Grossbritannien, was den Gesundheitsdienst zusätzlich unter Druck setzt. Die Ärzteschaft will einen rudimentären Betrieb in den Spitälern aufrechterhalten. Notfälle werden weiterhin behandelt. Viele Oberärzte werden einspringen, um ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen während des Ausstands zu vertreten.

Spital in London
Legende: Das Whipps Cross Hospital in London am Vorabend des sechstätigen Streiks der «Junior Doctors». Er fällt in eine Zeit steigender Grippezahlen und anderer Winterinfektionen. Keystone/EPA/Tolga Akmen

Die Dauerkrise des NHS: Der National Health Service (NHS) kämpft seit 2010 mit einer massiven Unterfinanzierung, die sich in den letzten Jahren noch verschärft hat. Dadurch sind nicht nur die Löhne des medizinischen Fachpersonals geschrumpft, sondern auch die Mittel für medizinische Geräte oder Spitalbetten sind knapper geworden. Zugleich sind viele Spitäler baufällig und müssten dringend saniert werden. Durch die Pandemie kam der NHS an die Belastungsgrenze. Der Notstand dauert bis heute an.

HeuteMorgen, 03.01.2024, 06:09 Uhr ; 

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