Zum Inhalt springen

Header

Audio
Frankreich drückt umstrittene Rentenreform durch
Aus Echo der Zeit vom 16.03.2023. Bild: AP Photo/Michel Euler
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 12 Sekunden.
Inhalt

Rentenreform in Frankreich Rentenreform: Ein Abschluss, der eine Niederlage ist

Für die Regierung ist dieser Abschluss eine Niederlage. Während Wochen hatte sie behauptet, es gebe im Parlament eine Mehrheit für ihre Reform. In den Stunden vor der Abstimmung kam sie offenbar zu einem anderen Schluss. Sie verknüpft nun die Abstimmung über ihr Prestigeprojekt mit ihrem eigenen Schicksal. Verliert sie die Vertrauensabstimmung, muss Präsident Macron entweder die Regierung wechseln oder gleich das Parlament auflösen.

Selbst, wenn sie die Vertrauensabstimmung gewinnen wird – das ist durchaus möglich, wenn sich die Opposition in den Misstrauensanträgen nicht gegenseitig unterstützt –, selbst dann ist die Regierung geschwächt. Sie hat gezeigt, dass sie ihre wichtigsten Anliegen im Parlament nicht durchsetzen kann. Auch dann nicht, wenn sie der Opposition weit entgegenkommt.

Konzessionen und taktische Fehler

Die Regierung hat ihre Reform stets damit begründet, dass nur ein höheres Rentenalter das System vor einem untragbaren Defizit bewahren könne. Im Verlauf der parlamentarischen Debatte hat sie allerdings Konzessionen gemacht, die einen grossen Teil der Einsparungen durch neue Ausgaben kompensieren. Der grosse Wurf wäre die Reform so auch inhaltlich nicht.

Konzessionen hatte die Regierung den rechten Républicains gemacht, die selber schon lange ein höheres Rentenalter fordern. Sie haben sich aber bis zum Schluss nicht als sichere Partner gezeigt und konnten – intern zerstritten – der Regierung nicht die notwendigen Stimmen garantieren, um eine Abstimmung im Parlament zu gewinnen.

Dazu kamen taktische Fehler. Die Regierung hat für die Beratung im Parlament eine Form gewählt, die eine Behandlung des Geschäfts innerhalb von sieben Wochen notwendig machte. Zu einer wirklichen Debatte kam es darum nicht.

Marine Le Pen punktet

Linksaussen liess sich auf eine Debatte nicht ein und machte mehr Spektakel – was zum Beispiel bei den Gewerkschaften schlecht ankam, die seit Wochen auf der Strasse gegen die Reform mobilisieren.

Rechtsaussen blieb im Parlament dagegen relativ unauffällig. Dies mag auch an der Kehrwende liegen, die etwa Marine Le Pen in der Sache vollzogen hat. Vor einigen Jahren hatte sie noch selbst ein höheres Rentenalter gefordert. Inzwischen zeigt sie sich als harte Gegnerin der Rentenreform.

Le Pen blieb aber eher still. Und gewann so offenbar öffentliche Sympathien, wie Umfragen zeigen. Falls die Regierung die Misstrauensabstimmung verliert und Präsident Macron das Parlament auflöst, dann kann Marine Le Pen bei Neuwahlen auf satte Gewinne hoffen.

Volksabstimmung im Bereich des Möglichen

Doch auch wenn die Regierung die Misstrauensanträge überleben sollte: Die Rentenreform hat damit noch nicht alle Hürden überwunden. Die Opposition wird das Projekt beim Verfassungsrat anfechten und versuchen, eine Volksabstimmung zu erreichen. Das wäre über eine Art parlamentarische Initiative möglich, die von zehn Prozent der Stimmberechtigten unterstützt wird. Das wären über vier Millionen Unterschriften.

An dieser Hürde sind bisher alle solchen Versuche gescheitert. Aber gegen ein Projekt, das so breiten Widerstand mobilisiert wie Macrons Rentenreform, könnte dies gelingen.

Daniel Voll

Daniel Voll

Frankreich- und Maghreb-Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Daniel Voll ist seit 2018 Frankreich-Korrespondent von Radio SRF mit Sitz in Paris. Der Maghreb gehört ebenfalls zu seinem Berichtsgebiet. Zuvor war er unter anderem als EU-Korrespondent in Brüssel und als Auslandredaktor für SRF tätig.

 

Echo der Zeit, 16.03.2023, 18:00 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel