Das Geräusch von Nähmaschinen begleitet Hunderttausende von Kambodschanerinnen tagein tagaus. Sie verdienen ihr Geld mit Nähen von kurzen Röcken, Blusen und Träger-Shirts, die nach Europa und in die USA exportiert werden. Kleider, die die Kambodschanerinnen selbst laut dem neuen Gesetzesentwurf nicht tragen dürften.
Laut Artikel 36 wäre es Frauen nämlich verboten, kurze oder enthüllende Kleider zu tragen. Nur so könne die Khmer-Kultur, also die Kultur Kambodschas, und die Würde der Menschen erhalten werden, argumentiert die Regierung.
Sopheap Chak, die Direktorin des angesehenen Menschenrechtszentrums von Kambodscha, ist anderer Meinung: «Frauen werden die Opfer dieses Gesetzes sein, das eine abschreckende Wirkung auf sie haben wird. Die Regierung rechtfertigt, sie müsse den Dresscode regulieren, um Frauen zu beschützen. Denn wer zu kurze Röcke trage, provoziere sexuelle Gewalt. Nicht die Täter, sondern die Frauen werden also zu Schuldigen gemacht.»
Auch Bettler und Menschen mit Behinderung betroffen
Doch nicht nur Frauen würde vorgeschrieben, was sie tragen dürften und was nicht. Der Gesetzesentwurf gehe viel weiter, sagt Sopheap Chak: «Er verbietet vieles, was sich im öffentlichen Raum abspielt. So dürften Bettler nicht mehr betteln; der Verkauf von Waren und Lebensmitteln am Strassenrand wäre verboten und Menschen mit einer geistigen Behinderung dürften nicht mehr ohne eine Aufsichtsperson aus dem Haus.»
Für Ming Yu Ha von Amnesty International ist der Entwurf schlicht die Fortführung eines langen repressiven Trends im südostasiatischen Land. «Seit Langem werden Menschenrechte in Kambodscha mit Füssen getreten. Die Situation hat sich in letzter Zeit immer mehr verschlimmert.»
Der Gesetzesentwurf ist nur ein weiteres Instrument der Regierung, ihre Bevölkerung zu unterdrücken
Die Regierung lasse Menschenrechtler, friedliche Demonstranten, Arbeitsvertreter und viele, die ihre Meinung sagen, einschüchtern oder verhaften. «Der Gesetzesentwurf ist nur ein weiteres Instrument der Regierung, ihre Bevölkerung zu unterdrücken», so Ming Yu Ha.
Seit 35 Jahren ist Premierminister Hun Sen an der Macht – und klammert sich weiter daran. So wurde die wichtigste Oppositionspartei vor zweieinhalb Jahren verboten, mehrere Oppositionspolitiker sitzen im Gefängnis.
Im Zuge der Corona-Pandemie sicherte sich die Regierung zudem dank einem Notstandsgesetz beinahe unbegrenzte Befugnisse, um ins öffentliche und private Leben einzugreifen. Mit dem neuen Gesetz zur öffentlichen Ordnung scheint sie diese Machtfülle nun legal besiegeln zu wollen. Geht es nach der Regierung, soll das Gesetz im kommenden Jahr in Kraft treten.
Grosser Widerstand – keine Wirkung?
Der Widerstand von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen und aus der Zivilgesellschaft ist jedoch gross. Mehr als sechzig Organisationen haben sich gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen und fordern, dass er vernichtet wird. Die vergangenen Jahre zeigten jedoch, dass die Regierung von Hun Sen oft wenig Gehör für die Anliegen und Sorgen ihrer eigenen Bevölkerung hatte.