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Revision Schengen-Protokoll EU-Kommission will die Schengen-Regeln anpassen

Die EU-Staaten sollen zur einheitlichen Grenzpolitik zurückfinden. Die Realität zurzeit sei ernüchternd.

Der Schengenraum, zu dem auch die Schweiz gehört, sieht eigentlich keine Grenzkontrollen innerhalb Europas vor und gemeinsame Kontrollen der Aussengrenzen. Die Realität sieht anders aus. Das zeigen die letzten Monate während der Corona-Pandemie, aber auch der Fall Belarus.

Deutliche Worte von Johansson

Die Realität sei ernüchternd, sagt Ylva Johannson, die für Migrationspolitik zuständige EU-Kommissarin. Zum Beispiel, wenn es darum geht, eine einheitliche Linie unter den EU-Staaten zu finden, unter welchen Voraussetzungen Reisende aus Drittstaaten in den Schengenraum einreisen können.

Die EU-Kommission könne nur Vorschläge machen, nichts Verbindliches festlegen, so Johansson. Entscheiden müssten die einzelnen Staaten. Diese sprächen sich zwar häufig ab, hielten sich dann aber nicht ans Abgemachte. Unter diesen Voraussetzungen sei es unmöglich, eine einheitliche Linie durchzusetzen.

Im neuen Regelwerk kann die EU-Kommission neu rechtlich verbindliche Entscheidungen der EU-Staaten erwirken, etwa im Zusammenhang mit der Bekämpfung einer Pandemie. Auch für Kontrollen an Binnengrenzen will die EU-Kommission klarere Regeln einführen.

Massnahmen nach 18 Monaten auf Prüfstand

Österreich, Frankreich, Belgien oder Dänemark, aber auch andere EU-Staaten, führen seit rund sechs Jahren wieder systematische Personenkontrollen an ihren Grenzen durch, trotz Schengen-Abkommen – im Zuge der Migrationskrise 2015, nach der Welle von Terroranschlägen in Europa und wegen der Corona-Pandemie.

Damit das nicht zum Dauer-Provisorium verkommt, will die EU-Kommission die Voraussetzungen schärfen, solche Massnahmen zu ergreifen. Nach 18 Monaten muss die Kommission beurteilen, ob alle Massnahmen verhältnismässig sind.

Druckversuch von Belarus mit Folgen

Ganz neu ins Regelwerk für Grenzkontrollen aufgenommen wird die Gefahr, dass ein Drittstaat die EU mittels illegaler Migration unter Druck setzt, wie das zuletzt an der Grenze zu Belarus zu beobachten war. Bisher gab es nur eine politische Antwort in der EU auf diese relativ neue Art der Bedrohung.

Schinas.
Legende: Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission, stellte vor den Medien in Strassburg das revidierte Schengen-Protokoll vor. Keystone

Erstmals lege die EU-Kommission nun eine juristische Definition für die Instrumentalisierung von Migranten vor, erklärte Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission. Damit erhalten Schengen-Länder neue Instrumente, etwa die Möglichkeit für vereinfachte Kontrollen an den EU-Aussengrenzen, für die Unterbringung in Auffanglagern und für Schnellverfahren für Rückführungen.

Damit solle Schengen wieder das werden, was Schengen eigentlich sein sollte – der «Diamant in der Krone der europäischen Migrationspolitik», sagte Margaritis Schinas. Damit das, was Europa ausmache, seinen Wert behalten könne, sei es eben nötig, die Krone neu zu polieren. Nun müssen Parlament und die EU-Staaten dem neuen Regelwerk zustimmen.

Echo der Zeit, 14.12.2021, 18:00 Uhr

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