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Riesenwelle auf Teneriffa «Es kann windstill sein – und trotzdem am Strand gefährlich»

Erneut hat eine Riesenwelle auf Teneriffa mehrere Personen ins Meer gerissen. Vier Menschen kamen dabei ums Leben. Warum gerade die Westküste Teneriffas immer wieder von Riesenwellen getroffen wird, erklärt der Tauchlehrer und Surfer Karsten Mohr.

Karsten Mohr

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Karsten Mohr betreibt eine Apnoe-Tauchschule auf der Kanareninsel El Hierro. Moor ist auch passionierter Surfer und hat deshalb viel Erfahrung mit den Wellen im Meer rund um die Kanaren.

SRF News: Warum können auf Teneriffa scheinbar aus dem Nichts grosse Wellen auf die Küste schlagen?

Karsten Mohr: Das Phänomen gibt es grundsätzlich überall am Meer. Speziell an Teneriffa aber ist, dass die Felsen an bestimmten Stellen extrem steil ins Meer abfallen. Es gibt also quasi keine Bremse aus flachen Küstenabschnitten, die die Wellen abbremsen würden. Die ganze Wellenenergie wird an der Küste damit sprunghaft aufgebaut und entladen.

Meerbucht und natürliches Becken.
Legende: Das Unglück vom Sonntag ereignete sich hier: im natürlichen Schwimmbecken von Los Gigantes. Offenbar wurden mehrere Personen von einer riesigen Welle aus dem Becken ins Meer gerissen. Imago

Gibt es Anzeichen, wann die Brandung gefährlich werden kann?

Als Tourist ist das Wichtigste, dass man sich darüber informiert, ob starke Brandung droht und welche Strandabschnitte mit roten Flaggen gekennzeichnet sind. Das ist alles sehr gut organisiert auf den Kanaren. An wilden, unbeaufsichtigten Küstenabschnitten ist es wichtig, genügend Abstand zum Meer einzuhalten.

Die Grunddünungswellen sind meist ein Alarmzeichen.

Das Tückische ist, dass die Meeresoberfläche recht glatt aussehen kann, bloss mit etwas Dünung. Doch gerade in der Dünung steckt am meisten Kraft, wenn sie dann auf die Küste trifft. Wenn man diese Wogen sieht auf dem Meer, diese sogenannten Grunddünungswellen oder spanisch Mar de Fondo, dann ist das meist ein Alarmzeichen.

Hier in Los Gigantes ereignete sich das tödliche Unglück:

Es gibt also klare und sichtbare Zeichen, dass bald eine grosse Welle auf die Küste trifft?

Genau – auch wenn es ein geschultes Auge braucht, um diese lang gezogenen Wogen zu erkennen. Ein sicheres Zeichen für einen gefährlichen Tag ist, wenn in Küstennähe bis mehrere Hundert Meter aufs Meer hinaus im Wasser weisse Schlieren zu sehen sind, wo das aufgewirbelte Salzwasser schäumt – auch wenn es vom Wind her ruhig ist. Dann drohen solche Monsterwellen an der Küste. Oft treten diese auch einzeln oder in langen zeitlichen Abständen von einer Viertelstunde oder mehr auf. Wenn der Schaum der vorherigen Welle also auf der Meeresoberfläche dümpelt und nicht abgebaut wird, ist Vorsicht geboten.

Gefahr durch Freak Sets

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An Tagen, an denen es sowieso schon grössere Wellen gibt, kann es vorkommen, dass etwa jede halbe Stunde ein sogenanntes Freak Set reinkommt. Das sind nochmals einzelne, viel höhere Wellen, als die anderen eh schon sind. Die Brandung kann also ziemlich regelmässig bereits stark sein mit hohen Wellen – und alle halbe Stunde kommt ein solches Freak Set daher, eine richtige Monsterwelle. (Karsten Mohr)

Die örtlichen Behörden haben auch diesmal vor grossen Wellen gewarnt. Wie funktionieren diese Warnungen?

Es gibt dazu sehr gute Wetterdienste, die man konsultieren sollte. Die Lage wird von den Behörden anhand von Satelliteninformationen und Bojen im Meer beurteilt. So werden etwa die Wellenabstände und deren Kraft gemessen. Daraus wird berechnet, wie hoch die Brandung am Strand werden kann. Die aktuelle Lage wird in vielen Hotels auf den Kanareninseln täglich aufgehängt, damit sich die Gäste informieren können. An den Stränden werden entsprechend den Vorhersagen die möglicherweise gefährlichen Strandabschnitte gekennzeichnet und gesperrt.

Die Wellen haben nichts mit dem lokalen Wetter zu tun – sie entstehen Hunderte Kilometer weit draussen im Meer.

Wieso wird die Gefahr durch Riesenwellen von Touristen immer wieder unterschätzt?

Das hat, wie oben erläutert, damit zu tun, dass zwischen den einzelnen Riesenwellen das Meer immer wieder ruhig ist – manchmal über längere Zeit. Und dann kommt wieder eine Serie von meist drei bis sieben Wellen, danach ist wieder Ruhe. Ausserdem hat das Ganze nichts mit dem lokalen Wetter zu tun: Es kann am Strand windstill sein und die Sonne scheinen, und trotzdem hat der Ozean durch die Dünung so viel Energie, dass es am Strand gefährlich ist. Denn die Wellen entstehen Hunderte Kilometer weit draussen auf dem Meer und wandern dann in Richtung der Insel.

Das Gespräch führte Tobias Bühlmann.

SRF 4 News aktuell, 8.12.2025, 16:32 Uhr ; 

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