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Rom im Zeichen des Coronavirus Nach der Panik folgt der Alltag

Schlangestehen ohne zu drängeln und weniger Hamsterkäufe: Die Italiener verhalten sich umsichtig in dieser Krise.

«Mi dispiace – es tut mir leid: Sie bekommen nur eine Packung Schutzmasken!» Die Dame im orangen T-Shirt und weisser Gesichtsmaske hinter der Kasse dieses Haushaltswarengeschäfts ist bestimmt. Die neue Lieferung Mundschutze soll für so viele Kunden wie möglich reichen.

Wir sind im Westen Roms, wo der Corona-Notstand neue soziale Regeln geschaffen hat: keine Hamster-Käufe, kein Vordrängeln. Jede und jeder kommt zu seiner Zeit an die Reihe. Es hat sich viel geändert in jener Stadt, in der zu Normalzeiten sofort die Hupe tönte, wenn an der Ampel das erste Auto nicht schon bei Gelb-Grün losfuhr!

Es funktioniert – ohne Diskussion

Jetzt stehen die Römer geduldig an – draussen auf dem Trottoir vor den wenigen noch geöffneten Geschäften: seien es Supermärkte, Metzgereien, Fischgeschäfte, Wäschereien, Apotheken oder eben die sogenannten Casalinghi – jene Detailhändler, die in diesen Zeiten leider viel zu selten Desinfektionsmittel, Gummihandschuhe und eben Mundschutze verkaufen.

Überall herrscht die gleiche Regel: In die Geschäfte dürfen gleichzeitig nur wenige Kunden, damit der Sicherheitsabstand eingehalten wird. Am Boden kleben deshalb bunte Streifen zur Orientierung, damit an der Kasse oder an der Schinken- und Käsetheke der nötige Abstand herrscht. All das funktioniert ohne Diskussion oder gar offizielle Ordnungshüter. Die Belegschaft in den Geschäften wechselt sich ab, um den Einlass zu kontrollieren. Derweil warten Frau und Mann auf der Strasse.

Geht es ums Wohlergehen, werden Vorschriften eingehalten

Auf der Strasse kann man auch beobachten, dass Lieferwagen regelmässig Nachschub liefern. Hamsterkäufe gibt immer weniger. Die meisten Italiener haben verstanden: auch während der Corona-Krise wird die Versorgung nicht ausgehen. Schon jetzt kalkulieren Ernährungsmediziner: durch den künstlichen Hausarrest wird das Gewicht bei vielen zulegen. Denn es wird gekocht und gebraten, Nonnas Rezepte ausprobiert. Gutes Essen für die Seele. Auch das hilft!

Die Italiener werden immer gerne als Individualisten und ganz besondere Ausleger von Regeln gescholten. Der Corona-Notstand zeigt aber: Wenn es um das Wohlergehen geht, können Vorschriften ohne Murren und Diskussion akzeptiert werden. Das passierte zuletzt im Jahr 2005, als Italien von einem Tag auf den anderen das europaweit strengste Anti-Raucher-Gesetze in Kraft gesetzt hatte und die Einhaltung von Tag Eins an im Unterschied zu anderen Ländern später kein Problem war!

Die Italienerinnen und Italiener werden vielleicht auch diesmal wieder Schule machen – mit umsichtigem Verhalten und dem hoffentlich richtigen Weg, der sie aus dieser Krise wieder hinausführt!

Tagesschau, 14.03.2020, 19.30 Uhr

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