SRF News: Nach Unicef-Angaben haben im Osten Mossuls rund 30 Schulen ihren Betrieb wieder aufgenommen. Sind das ermutigende Nachrichten?
Inga Rogg: Ja und nein. Dass der Osten Mossuls von den irakischen Truppen wieder zurückerobert wurde, ist sicher eine sehr gute Nachricht. Aber man darf nicht vergessen: In einigen Stadtgebieten ist die Lage prekär. Der IS schiesst in diese Gebiete. Die Sicherheitslage ist nicht stabil. Und vor allen Dingen lebt im Westen der Grossteil der Bevölkerung, es sind nach UN-Angaben 750'000 Menschen, die weiter unter IS-Herrschaft leben müssen.
Was bedeutet die Eröffnung der Schulen für die lokale Bevölkerung?
Das bedeutet ihnen sehr viel. Die Menschen, die ich getroffen habe, haben mir immer wieder erzählt, dass sie ihre Kinder während den zweieinhalb Jahren, in denen sie unter der IS-Herrschaft leben mussten, nicht zur Schule geschickt haben. Und zwar weil sie nicht wollten, dass ihre Kinder indoktriniert werden. Der IS erzieht die Kinder zu Gewalt, und er versucht ihnen seine Vorstellung vom islamischen Staat aufzuzwingen. Insofern ist es enorm wichtig, dass jetzt wieder mit dem Schulaufbau begonnen wird.
West-Mossul ist immer noch unter der Kontrolle des IS. Was weiss man über das Leben der Bevölkerung dort?
Der IS versucht, wie er das im Osten auch schon tat, die Menschen einzuschüchtern und vom Widerstand abzuhalten und möglichst lange dort auszuharren. Der IS hat sich unter die Zivilbevölkerung gemischt. Er hat zum Teil Raketen- und Geschützstellungen IS auf Wohnhäuser gestellt. Alle möglichen Zivilisten werden verdächtigt, Informationen an die Gegner zu liefern. Menschen werden mitten in der Stadt hingerichtet. Es ist schrecklich.
In Ost-Mossul hat die irakische Armee drei Monate gebraucht, um den IS zu vertreiben. Stellt man sich im Westen auch auf einen langen Kampf ein?
Es wird auf jeden Fall nicht nur Tage dauern. Die irakischen Truppen gingen immer davon aus, dass der Osten leichter zurückzuerobern sei, und dass es im Westen schwieriger werde. Es wird also Wochen wenn nicht gar Monate dauern.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.