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Rückkehr nach Afghanistan Millionen hoffen auf eine Zukunft

In Pakistan sind sie nicht mehr erwünscht. Auch in Afghanistan wartet niemand auf die Rückkehrer aus dem Nachbarland.

Pakistan hat eigentlich eine lange humanitäre Tradition. Es hat über Jahrzehnte afghanische Flüchtlinge aufgenommen, die vor den dauernden Bürgerkriegen geflohen waren. Pakistan brach 2016 aber mit dieser Tradition. Wegen politischer Unstimmigkeiten mit Kabul schickte es in den letzten Jahren mehr als 1,3 Millionen Afghanen zurück, in das vom Krieg zerrüttete Land.

Die Hütte hat Leila-Ma selber gezimmert

So auch die Familie von Leila-Ma. Sie sitzt mit ihren beiden Kindern auf leeren Zementsäcken, die sie über den Boden ihrer Hütte ausserhalb Kabuls ausgebreitet hat. Sie bietet Tee an, der in einer Blechkanne kocht, die sie direkt über die Flamme aus der Gasflasche gestellt hat. Strom gebe es keinen, sagt Leila-Ma. Die Hütte habe sie zusammen mit Verwandten selber gezimmert.

Frau mit zwei Kindern, sitzt am Boden.
Legende: Leila-Ma hofft, mit Hilfe ihrer Nähmaschine bald ein Auskommen zu finden. srf/Thomas Gutersohn

«In Pakistan war es besser», erinnert sich Leila-Ma. Dort hatte sie ein richtiges Haus, mit Strom und Wasserleitungen. Doch seit ihrer Rückkehr vor ein paar Monaten ist die Hütte hier ihr Zuhause. In den Ecken der liegen Taschen, ihre Kleider sind an einer Schur der Wand entlang aufgehängt.

Und, eingewickelt in einen Teppich, schmückt als einziger Gegenstand, neben der Gasflasche, eine alte, schwere Nähmaschine den kleinen Wohnraum. Nach dem Tod ihres Mannes verdiente Leila-Ma als Schneiderin in Pakistan ein knappes Einkommen. Doch die Polizei schloss ihr Geschäft diesen Frühling und schickte sie weg. «Weil ich keine Papiere hatte und somit auch keine Arbeitserlaubnis», sagt Leila-Ma.

Die Reise musste Leila-Ma selber finanzieren

Leila-Ma und ihre beiden Söhne waren drei von insgesamt über zweieinhalb Millionen afghanischen Flüchtlinge in Pakistan. Deren Papiere wurden bisher nie kontrolliert, doch seit 2016 Grenzstreitigkeiten ausbrachen und der afghanische Präsident Ashraf Ghani Pakistan vermehrt kritisierte, übt Pakistan Druck gegenüber den Flüchtlingen aus.

20'000 Rupien, umgerechnet 160 Franken, bezahlte Leila-Ma für die Überfahrt, auf der Ladefläche eines Lastwagens. Mit diesem fuhren sie von Peschawar über den Chaiber-Pass nach Dschalalabad und schliesslich nach Kabul. Mit dabei, die gusseiserne Nähmaschine. Sie ist Leila-Mas kostbarstes Gut. Durch sie hofft sie, in Kabul wieder Arbeit zu finden. Im Moment wird sie von ihren Verwandten und der Internationalen Organisationen für Migration (IOM) unterstützt.

Millionen Afghanen müssen zurück

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Pakistan hat seit den 1980er-Jahren Millionen Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan beherbergt. Doch in den vergangenen zwei Jahren erhöhte Islamabad den Druck auf die Flüchtlinge, in ihre Heimat zurückzukehren.

Hintergrund ist das stark verschlechterte Verhältnis zu Afghanistan und zu den USA. Diese werfen Pakistan vor, den radikalislamischen Taliban zu helfen und so die Aufbaubemühungen in Afghanistan zu destabilisieren. Hunderttausende Afghanen sind seit 2016 bereits zurückgekehrt, weit mehr als eine Million lebt immer noch in Pakistan. Sie sollen zurück nach Afghanistan. Immerhin hat Kabul das Ausreise-Ultimatum Anfang Juli zum wiederholten Mal verlängert – diesmal um drei Monate. (sda)

Die allermeisten haben keine Ausbildung

Eine der grössten Herausforderungen für die Rückkehrer sei es, in ihrem Heimatland eine Arbeit zu bekommen, sagt Nicholas Bishop von der IOM: «Etwa 80 Prozent der Rückkehrer sind schlecht ausgebildet. Sie arbeiten als Tagelöhner.» Deshalb suchen die meisten Rückkehrer aus Pakistan ihr Glück in einer der Städte Afghanistans. Rund 20 Prozent von ihnen kommen bis nach Kabul. Sieben von zehn bleiben in Dschalalabad, der Provinzhauptstadt von Nangarhar, nahe der pakistanischen Grenze.

Viele können nicht in ihr Heimatdorf zurück. Das macht sie zu intern Vertriebenen.
Autor: Nicholas Bishop IOM-Mitarbeiter in Afghanistan

Dschalalabad könne den Zustrom kaum absorbieren, sagt IOM-Mitarbeier Bishop. «Es ist jene Stadt in Afghanistan, die in den letzten drei Jahren am stärksten gewachsen ist – wegen der Rückkehrer aus Pakistan.» Der Zustrom liess die Wohnungsmieten explodieren und die Löhne in den Keller rasseln. Hinzu kommt, dass in Dschalalabad auch regelmässig Bombenattentate verübt werden. Die Taliban und der «Islamische Staat» liefern sich dort eine Art Privatkrieg.

Da knapp ein Drittel der Gebiete in Afghanistan umkämpft sind, können viele Rückkehrer nicht in ihr Heimatdorf zurück. Oder sie werden von dort gleich wieder vertrieben. «Das macht sie nach ihrer Rückkehr zu intern Vertriebenen», sagt Bishop.

Zwei Drittel des Lohnes für die Wohnungsmiete

Schwenk in einen anderen Stadtteil Kabuls: Kinder toben um Habibas Haus. Sie spielen mit Insekten, die sie mit Blättern und kleinen Stöcken jagen. Im dunklen Wohnzimmer auf einem Teppich sitzt Habiba, im Arm ihr letztgeborenes: Auch ihre Familie konnte nicht in ihr Dorf in Logar im Süden Afghanistans zurückkehren. Der Grund dafür erklärt Habiba in einem Wort: «Krieg.»

Schwarz verhüllte Frau mit Kind auf dem Arm vor rosa Wand.
Legende: Habibas Mann hat eine Arbeit gefunden. Ihre Familie kann sich deshalb eine richtige Wohnung leisten. srf/Thomas Gutersohn

Ihr Mann arbeite als Lehrer in einer öffentlichen Schule. Die Taliban denken, er sei ein Spion der Regierung. In ihr Dorf zurückzukehren wäre deshalb lebensgefährlich. Da ihr Mann ein Einkommen hat, kann sich die Familie eine richtige Wohnung am Stadtrand von Kabul leisten. Habiba möchte gerne hier bleiben, doch seien die Kosten in Afghanistan viel höher als in Pakistan.

Junge mit Brille in einer Tür.
Legende: Habibas älterer Sohn – auch er hofft auf eine Zukunft in Afghanistan. srf/Thomas Gutersohn

Allein die Wohnungsmiete verschlingt zwei Drittel des Einkommens ihres Mannes. Der afghanische Präsident Ashraf Ghani warb in Pakistan um gebildete Leute wie ihren Mann. Sie sollten nach Afghanistan zurückkehren und mithelfen, das Land aufzubauen, sagte er. Habibas Familie folgte Ghanis Ruf, doch heute ist sie enttäuscht: Das sei nur Geschwätz. «Die Regierung ist nur mit sich selbst beschäftigt», stellt sie fest. Unterstützung für jene, die in das Land zurückkehren, gebe es praktisch keine vom Staat.

Die Lage bleibt prekär

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Die Sicherheitslage für Zivilisten ist in Afghanistan keineswegs besser geworden. Laut der UNO starben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres rund 1700 Menschen durch Krieg und Terror. Das sind mehr als jeweils in den Vergleichsperioden der letzten zehn Jahre.

Verantwortlich für die Gewalt sind vor allem die Taliban, zunehmend aber auch die Terroristen des «Islamischen Staats». Zudem fordern Luftangriffe gegen Terroristen zahlreiche zivile Opfer. Für die Sicherheit der Zivilisten sind inzwischen vor allem afghanische Sicherheitskräfte verantwortlich.

Die Nato hat ihre Truppenstärke von über 100'000 Mann auf noch rund 16'000 Mann reduziert. Vorerst sollen die Nato-Truppen aber noch in Afghanistan verbleiben – das Verteidigungsbündnis hat ihren Einsatz kürzlich um weitere sechs Jahre verlängert. (Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent SRF)

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