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Rücktritt von Gerry Adams «Sinn Fein entfernt sich vom Pulverdampf»

Wenn vom Nordirland-Konflikt und dem Friedensprozess die Rede ist, darf ein Name nicht fehlen: Gerry Adams. Seit 34 Jahren steht er an der Spitze der katholischen Sinn-Fein-Partei, die Adams selbst zu dem gemacht hat, was sie heute ist: die zweitgrösste Partei in Nordirland und die drittgrösste in der benachbarten Republik. Gestern Abend kündigte der 69-jährige Adams seinen Rückzug aus der Politik an.

Gerry Adams war 1983, mitten im blutigen Konflikt, erstmals als Präsident Sinn Feins gewählt worden. Daran erinnerte Gerry Adams seine Parteitagsdelegierten gestern Abend in Dublin.

Martin Alioth

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Porträt Martin Alioth

Der Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

Es war damals weniger eine Wahl gewesen als ein Putsch: Adams und sein unentbehrlicher Mitstreiter, Martin McGuinness, übernahmen die militärische und die politische Kontrolle über die IRA und ihren damals ziemlich unbedeutenden politischen Flügel, Sinn Fein.

Im Gegensatz zum unlängst verstorbenen McGuinness hat Adams absurderweise stets bestritten, Mitglied der IRA gewesen zu sein – dabei war er lange Jahre ihr strategischer Kopf. Doch Adams und McGuinness begriffen zu Beginn der Neunzigerjahre, dass ihr Ziel der Wiedervereinigung Irlands militärisch nicht zu erreichen war.

Behutsam, geschickt und ruchlos führten sie die IRA in die Politik. Sie erwirkten die Anerkennung der nordirischen Polizei und die Entwaffnung der IRA und vermieden dabei eine nachhaltige Spaltung der doppelköpfigen Bewegung. Das wird – bei allen Zweifeln an ihrer persönlichen Verstrickung – ihr historisches Verdienst bleiben.

Hemmschuh für die Partei

Jetzt sei es Zeit für einen Wechsel, so Adams. Das zu wissen, gehöre auch zur politischen Führung. In der Tat: Adams ist in der Republik Irland zum Hemmschuh für seine Partei geworden. Die Wähler der Republik sehen das Blut an seinen Händen. Überdies ist ihm, der inzwischen seine stattliche Parlamentsfraktion im irischen Parlament führt, die Republik stets fremd geblieben. Sein Verständnis der irischen Wirtschaft beispielsweise ist und bleibt mangelhaft.

Eine neue Generation, die nichts mit dem Konflikt zu tun hatte, wird nächstes Jahr übernehmen. Sinn Fein entfernt sich vom Pulverdampf und wird zur normalen Linkspartei. In der Republik locken Zugewinne, doch in Nordirland hinterlässt Adams einen Scherbenhaufen.

Die Provinz kehrt unter britische Direktverwaltung zurück, weil die Einheimischen keine Regierung bilden wollen. Und in London schliesslich bleiben Sinn Feins Wähler stumm: die Partei weigert sich aus dogmatischen Gründen stur, ihre sieben Unterhaussitze einzunehmen, obwohl sie entscheidenden Einfluss auf die Ausgestaltung des Brexit nehmen könnten.

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