Zum Inhalt springen

Russische Propagandakampagne Russische «Informationstafeln» vor westlichen Botschaften

Vor vielen westlichen Niederlassungen stehen «Informationstafeln». Diese erklären Russlands Sicht auf den Krieg.

Russland hat vor westlichen Botschaften in Moskau Informationstafeln aufgestellt, auf denen die westliche Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Russland kritisiert wird. Diese hängen teilweise schon über ein Jahr dort.

Was steht konkret auf diesen russischen «Informationstafeln»? Auf den Tafeln vor der schwedischen Botschaft etwa werden berühmte Schwedinnen und Schweden aufgelistet, welche den Nationalsozialismus unterstützt haben sollen, so Russland-Korrespondent Calum MacKenzie.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

«Das Fazit der Tafeln lautet: ‹Wir sind gegen den Nazismus und sie nicht.›» Dies werde auf den Ukrainekrieg übertragen: Bei der letzten Tafel gehe es um schwedische Freiwillige, die aufseiten der Ukraine gekämpft haben. «Blut und Eisen für den ukrainischen Nazismus – Made in Sweden», stehe dort.

So kam es zur Informationskampagne

Box aufklappen Box zuklappen

Zu Beginn der russischen Grossinvasion der Ukraine hat man in Litauen und Lettland die Strassen umbenannt, an denen die Botschaften Russlands stehen. In Riga zum Beispiel heisst die Strasse neu die «Strasse der unabhängigen Ukraine». Moskau benannte daraufhin Plätze um, an denen die Botschaften Grossbritanniens und der USA stehen. Dort sind jetzt der «Platz der Volksrepublik Luhansk», beziehungsweise der «Platz der Volksrepublik Donezk». Seither geht der Kleinkrieg vor den Botschaften in Moskau weiter.

Welches Narrativ verbreiten die Tafeln? Auf den Tafeln vor der litauischen Botschaft etwa geht es um die Nürnberger Prozesse, als führende Nazifiguren nach dem Zweiten Weltkrieg verurteilt wurden. Auf einer Tafel steht: «Die Prozesse sind eine deutliche Warnung an alle, die einen neuen Weltkrieg anzetteln wollen.» «Hier sieht man das russische Narrativ», sagt Calum MacKenzie: «Westliche Staaten wie Litauen seien für den aktuellen Konflikt verantwortlich, Russland verteidige sich nur. Und natürlich soll in der Ukraine, aber auch im Westen der Nationalsozialismus grassieren.»

Warum kommen aus Russland immer wieder Behauptungen zum Nationalsozialismus? Der Zweite Weltkrieg und der Kampf gegen Nazideutschland hätten in der russischen Kultur eine besondere Bedeutung, die der Kreml immer wieder missbrauche. «Zudem haben in Russland die Behörden schon seit der Sowjetzeit eine eigenwillige Definition von Nazismus oder Faschismus kultiviert», sagt MacKenzie. So gehe es bei den Tafeln vor der schwedischen Botschaft um berühmte Leute aus Schweden, die angeblich Nazis waren, aber der Titel der Tafeln laute: «Eine kurze Geschichte der schwedischen Russophobie». «Nazismus wird also als Russlandfeindlichkeit definiert.»

An wen richtet sich die Aktion: an das westliche Botschaftspersonal oder die russische Bevölkerung? «Einerseits sind ausländische Diplomatinnen und deren Herkunftsstaaten ein Ziel», sagt MacKenzie. «Aber bei den Infotafeln geht es darum, die russische Bevölkerung zu erreichen.» Auf Russisch würden die Argumente präsentiert, weshalb Russlands Krieg gegen die Ukraine gerechtfertigt sei und warum jeder Russe und jede Russin die sogenannte Spezialoperation unterstützen müsse. Schliesslich gehe es darum, wieder den russophoben Nationalsozialismus wie im Zweiten Weltkrieg zu bekämpfen, so die Aussage.

grosses, weiss-rosa Gebäude, davor eine mehrspurige Strasse. Vor Gebäude weisse Buchstaben: «ZVO».
Legende: Auch vor der US-Botschaft wurden Leuchtbuchstaben montiert. Die Buchstaben «ZVO» kommen ursprünglich von den Markierungen auf russischen Militärfahrzeugen zu Beginn der Invasion. SRF

Wie reagiert die Bevölkerung in Moskau auf diese Schilder? «In meiner Zeit in Moskau habe ich niemanden gesehen, der oder die diesen Tafeln Beachtung geschenkt hat», sagt der Russland-Korrespondent. Dabei seien solche Tafeln nicht nur vor den Botschaften, sondern zum Beispiel auch in einer beliebten Fussgängerzone platziert. Keiner schaue sie an. Das heisse aber nicht zwingend, dass die Leute gegen den Krieg sind: «Die grosse Mehrheit schweigt, man will den Krieg ignorieren, nicht daran denken und versuchen, sein Leben weiterzuführen.»

SRF 4 News, 12.02.2024, 6:45 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel