Krieg in der Ukraine - So funktioniert Russlands Desinformation
Mit Halbwahrheiten, inszenierten Dokumenten, automatisierten Accounts und anderen angeblichen Beweisen führt der Kreml einen Desinformationskrieg gegen die Ukraine und westliche Medien. Wir erklären, wie diese Lügen aufgedeckt werden können.
Auf dem Twitter-Account der russischen
Mission in Genf
zeigt ein Video, wie westliche Medien angeblich Informationen über die Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha verdrehten. Darin heisst es: Körper toter Zivilisten sollen platziert worden sein, nachdem russische Truppen aus dem Ort abgezogen waren. Ukrainer sollen die Tat begangen haben. Die Toten waren jedoch schon vor dem Abzug der russischen Truppen an Ort und Stelle. Dies beweisen Maxar-Satellitenbilder, die von der
New York Times analysiert
wurden.
Kontrolle über eigene Bevölkerung
Es ist nur eines von vielen Beispielen russischer Desinformation. Der Kreml nutzt solche Falschmeldungen, um die Invasion als «sauberen» Krieg zu verkaufen. Also als einen Krieg, bei dem keine Zivilisten zu Schaden kommen.
Die Desinformation ziele vor allem auf die eigene Bevölkerung ab. Sie soll sie ruhig stellen, sagt Myriam Dunn Cavelty, Expertin für Sicherheitspolitik an der ETH Zürich: «In autokratischen Staaten möchte die Regierung die Kontrolle über die Bevölkerung und die Informationen haben. Weil man keine demokratischen Interessen zulassen möchte. Man will nicht, dass jemand plötzlich sagt: Diesen Präsidenten wollen wir nicht mehr. Und das funktioniert über die Kontrolle von Botschaften, die die Regierung als gut und wichtig dastehen lassen.»
Immer wieder behauptet der Kreml, Angriffe auf ukrainische Zivilisten gebe es nicht. Vasily Nebenzya, der russische UNO-Botschafter, stritt in
einem Interview
den russischen Angriff auf ein Theater in Mariupol ab, in dem sich Zivilisten – darunter auch Kinder – versteckt hielten.
Für ihn findet
«ein Informationskrieg in einem grösseren Umfang als auf dem Schlachtfeld statt».
Die Anschuldigungen dienten der Ablenkung, sagt Myriam Dunn Cavelty: «Man will Misstrauen schüren und verunsichern. Die Leute sollen sich fragen: Könnte das nicht auch stimmen? Die Bevölkerung verunsichern, das ist eine alte Geheimdiensttaktik.»
Satellitenbilder belegen Angriffe auf Wohngebiete
Dass die russische Armee Wohnsiedlungen angreift, lässt sich mithilfe von Luftraumbildanalysen der UNO-Organisation UNOSAT beweisen.
UNOSAT
analysierte, wie sich die Gebäude eines bestimmten Stadtteils in Mariupol seit dem Krieg verändert haben. Dabei wurden total 433 Schäden gefunden, darunter an sieben Schulen und drei Gesundheitseinrichtungen.
Damit sich die Desinformation so weit wie möglich auch in den sozialen Medien im Westen verbreitet, werden automatisierte Accounts eingesetzt. Auch der Twitter-Account der russischen Botschaft in Bern wird von Bots unterstützt. Das zeigt die Analyse von SRF Investigativ durch das Tool Botometer der
Universität in Indiana
.
Die Verbreitung von Falschinformationen sei eine bekannte Kriegsstrategie, sagt Myriam Dunn Cavelty. Neu sei die massive Verbreitung der Desinformation in den sozialen Medien: «Die sozialen Medien geben dem Ganzen eine andere Dimension. Weil viele Leute einfach interessante Geschichten teilen, ohne sie zu lesen. Und ohne zu überlegen, ob sie stimmen. In diesem Fall ist das natürlich sehr schädlich, weil es vielleicht auch Leute beeinflusst, die dann sagen: Ja, Putin hatte vielleicht legitime Ziele.»
10 Werkzeuge, um Desinformation auf den Grund zu gehen
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Die Analysen von SRF Investigativ zusammen mit SRF Impact zeigen auch, dass ein Laie russische Desinformation aufdecken kann. Ben Heubl nützt eine breite Sammlung an Werkzeugen.
1. Umgekehrte Bildsuche: Nütze Yandex, Tineye oder Bing und finde heraus, ob Bilder oder Videos schon einmal vorher in einem anderen Kontext verwendet wurden und nun als Desinformation recycelt werden
2. Metadaten-Abgleich für Fotos: Finde heraus, wann genau ein Foto gemacht wurde. Pass aber auf: Metadaten lassen sich manipulieren:
https://exiftool.org/
3. Geoanalyse von Bildern und Videos: Mithilfe von Google Maps, StreetView oder Google Earth lassen sich Standorte verifizieren. Ein Tool, das Google Streetview zusammen mit 3D und Kartenansicht kombiniert, um einfach Standorte zu lokalisieren: Dual Map
4. Analyse und Vergleich von Gesichtern: Microsoft Azur Gesichtsvergleich
5. Geographische Zeitanalyse: Finde mithilfe von Schatten heraus, wann ein Bild oder Video aufgenommen wurde: Suncalc
6. Google Suchoperatoren: Finde alte Dokumente, die beweisen, dass es sich hier um Desinformation handelt.
7. Übersetze russischen Text in PDF oder Bilddokumenten, um falsche Informationen zu entlarven: Yandex OCR Bilderkennung und GoogleTranslate
8. Quellen, die verifizierte Informationen zu Anschlägen preisgeben: Macht es möglich, russische Meldungen zu Angriffen zu überprüfen: Interaktive Ukrainekarte des Center for Information Resilience
9. Demaskiere automatisierte Accounts, die womöglich falsche Informationen verbreiten: Analysiere das Risiko, dass es sich bei einem Twitterprofil um einen Bot, also um keinen echten Menschen handelt: Botometer
10. Für fortgeschrittene Analysen gibt es ein System, das sogenannte OSINT Framework, um Links zu weiteren Werkzeugen zu finden:
https://osintframework.com/
Wird Desinformation gefunden, so rät die Initiative
Cyberarmy,
sie zu melden. So kann Accounts, die Desinformation verbreiten, das Handwerk gelegt werden.
Was sind deine Strategien, um Desinformation keine Chance zu geben? Diskutiere mit uns auf
Youtube.
Wie prüft SRF die Quellen in der Kriegsberichterstattung?
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Die Informationen zum Ukraine-Krieg sind zahlreich und zum Teil widersprüchlich. Die verlässlichsten Quellen sind eigene Journalistinnen und Reporter anderer Medien vor Ort, denen man vertrauen kann. Weitere wichtige Quellen sind Augenzeugen – also Menschen vor Ort, die Eindrücke vermitteln können.
Besonders zu hinterfragen sind Informationen von Kriegsparteien. Denn alle Kriegsparteien machen Propaganda – in diesem Angriffskrieg vor allem die russischen, offiziellen Quellen. Die Aussagen der Kriegsparteien ordnen wir entsprechend ein. Grundsätzlich gilt bei SRF: Je schwieriger und unzuverlässiger die Quellenlage, desto wichtiger ist Transparenz. Umstrittene Fakten und Informationen, die nicht unabhängig überprüfbar sind, werden als solche kenntlich gemacht.
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