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«Man durfte auch mal ein Bier auf der Strasse trinken»
Aus HeuteMorgen vom 16.07.2018.
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Russland nach der WM «Die Toleranz wird nicht anhalten»

Russland wird diese WM als Erfolg abbuchen können. Die politische Kritik ist im Laufe des Turniers weitgehend verstummt, wohl auch verdrängt von den Bildern eines friedlichen Sportfestes; von Menschen, die auf den Strassen feiern, und Behörden, die sie gewähren lassen. ORF-Korrespondentin Carola Schneider ist dennoch skeptisch, was das politische Klima im Land angeht.

Carola Schneider

Carola Schneider

Journalistin in Moskau

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Die österreichische Journalistin Carola Schneider war von 2003 bis 2011 ORF-Korrespondentin für die Schweiz in Zürich. Seither leitet sie das ORF-Büro in Moskau. Sie schreibt auch für Tageszeitungen, etwa für die NZZ.

SRF News: Die Bilder ausgelassen feiernder Fussballfans gingen um die Welt. Hat sich das auch auf die politische Lage im Land ausgewirkt?

Carola Schneider: Man war in Russland überrascht, dass so etwas möglich ist: Ausländische Fans, die gemeinsam mit den Einheimischen in den Strassen der Austragungsstädte feiern. Im Hintergrund hat sich aber nicht wirklich viel geändert in diesen Wochen, in denen die WM stattfand. Eine der besten Universitäten des Landes hat zum Beispiel ihre Akkreditierung verloren – offiziell wegen irgendwelchen bürokratischen Gründen. Was wirklich dahinter steckt, weiss man nicht. Die Regierung hat auch versucht, eine äusserst unpopuläre Pensionsreform hinter dieser Feststimmung zu verstecken. Sie ist ausgerechnet in den Tagen rund um die WM-Eröffnung verkündet worden.

Was bleibt von dieser WM in Russland – ausser den schönen Bildern?

Die schönen Bilder sind natürlich schon echt gewesen. Viele Russen haben gespürt, dass die Welt zu ihnen zu Besuch kommt. Sie haben mit diesen Leuten aus zum Teil fernen Ländern viel mehr gemeinsam, als sie glaubten.

Es war ein grosses, wochenlanges Fest. Das ist jetzt mit dem Ende der WM vorbei.

Die Russen haben selber erlebt, wie es ist, auf den Strassen zu feiern und Fahnen zu schwenken. Man durfte auch einmal ein Bier auf der Strasse aufmachen. Das darf man sonst nicht, die Polizei schreitet sofort ein. Es war ein grosses, wochenlanges Fest. Das wird jetzt mit dem Ende der WM vorbei sein. Es sind ja keine Gesetze geändert worden. Diese Toleranz, welche die russischen Behörden gezeigt haben, wird natürlich nicht anhalten.

Der ukrainische Regisseur Oleg Senzow wurde während der WM auf der Krim vom Geheimdienst festgenommen und wegen der Vorbereitung von terroristischen Akten zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Nun ist er im Hungerstreik. Weiss man etwas darüber, wie es ihm geht?

Es gibt im Moment sehr wenige Informationen in der Öffentlichkeit. Es heisst, es gehe ihm nicht sehr gut, er sei sehr schwach. Vor Kurzem wollte eine ukrainische Menschenrechtlerin zu ihm, um darüber zu berichten, wie es ihm geht: Sie ist nicht zu ihm durchgelassen worden. Man weiss aber, dass zwischen Russland und der Ukraine derzeit Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch stattfinden. Senzow ist einer der Betroffenen.

Weltweit gab es während der WM immer wieder Aktionen für Senzow. Hat ihm diese internationale Aufmerksamkeit etwas gebracht?

Das wird man daran sehen, ob er jetzt freigelassen wird oder nicht. Die internationale Aufmerksamkeit war natürlich viel grösser als in den letzten Jahren, als er ja auch schon im Gefängnis sass. Nach einem ersten Aufschrei in den Medien nach seiner Verurteilung ist er in Vergessenheit geraten. Man muss aber sagen, konkrete Taten hat es bisher nicht gegeben. Möglicherweise ändert sich das in den nächsten Tagen oder Wochen. Es ist bekannt geworden, dass Senzows Mutter bei Putin um die Begnadigung ihres Sohnes gebeten hat. Es könnte sein, dass sich in den nächsten Tagen etwas tut, dass er ihn als humanitäre Geste freilässt, jetzt, im Lichte der WM.

Kann man sagen, bei der Bevölkerung herrschte während des letzten Monats grosse Freude, aber langfristig wird sich kaum etwas ändern?

Ja, davon muss man wahrscheinlich ausgehen. Manche politischen Beobachter meinen, dass die WM in Russland imagemässig – vor allem nach aussen – schon etwas genützt hat. Die Bevölkerung in Westeuropa zum Beispiel war in den letzten Jahren sehr russlandkritisch. Diese hat jetzt ein anderes Bild von Russland mitbekommen, auch dank den sozialen Netzwerken, in denen die Fans, die hier zu Besuch waren, Positives geschildert haben. Für Putin wäre das eigentlich ein guter Moment, auch aussenpolitisch die Beziehungen zum Westen etwas aufzutauen. Ob er das tun wird oder nicht, das werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.

Das Gespräch führte Noemi Ackermann.

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