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Russland-USA-Abkommen Eine letzte Chance für das Atom-Abrüstungsabkommen New Start

New Start – so heisst das letzte verbleibende Atom-Abrüstungsabkommen zwischen Russland und den USA. Es läuft nächsten Februar aus. Noch vor wenigen Wochen gingen alle davon aus, dass dies passieren würde. Kaum jemand gab dem Abkommen eine Überlebenschance. Auch die Direktbeteiligten in Moskau und Washington nicht.

Einigung wäre ein wichtiges Signal

Doch nun gibt es einen Hoffnungsschimmer: Russen und Amerikaner sprechen in Wien über eine Verlängerung von New Start. Eine Einigung scheint zumindest nicht unmöglich. Es wäre ein enorm wichtiges Signal.

Ursprünglich war alles ganz anders geplant: Als die USA und Russland im April 2010 in Prag feierlich den New-Start-Vertrag unterzeichneten waren beide Seiten noch mutiger, optimistischer, vorwärtsgewandter. Die Präsidenten hiessen Barack Obama und Dmitri Medwedew. Beide sahen New Start tatsächlich als Start. Als ersten zögerlichen von später ehrgeizigeren Schritten. Das Abkommen verpflichtet Washington und Moskau, ihre Arsenale an strategischen Atomwaffen auf je 800 Trägersysteme und je 1550 kurzfristig einsetzbare Gefechtsköpfe zu reduzieren. Die Idee war, New Start nach dessen Auslaufdatum 2021 durch ein wesentlich umfassenderes Abkommen zu ersetzen.

New Start: das einzige bilaterale Atom-Rüstungskontrollabkommen

Davon ist heute keine Rede mehr. Die Gefahr besteht vielmehr, dass New Start ersatzlos ausläuft. Und damit das einzige übriggebliebene bilaterale Atom-Rüstungskontrollabkommen zwischen den USA und Russland.

Abrüstungsexperten mahnen seit Jahren die beiden Regierungen zu Verhandlungen. Sie fanden bisher keinerlei Gehör. Doch nun, kurz vor Torschluss, gibt es Bewegung. Im Juli fanden in Wien Gespräche auf Expertenebene statt, gestern und heute nun Verhandlungen hochrangiger Delegationen.

«Ein aufgeschlossener politischer Dialog ist besser als propagandistische Rhetorik» twittert die russische Delegation. Man bleibe zwar skeptisch, doch, immerhin, die Haltung der Amerikaner sei positiv. Die US-Unterhändler wiederum sagen, «im Prinzip» sei man sich einig über eine Verlängerung von New Start, «im Detail» gebe es jedoch noch gewaltige Probleme.

Ein Durchbruch scheint vor allem deshalb möglich, weil die USA jetzt eine Vorbedingung für Verhandlungen über eine New-Start-Verlängerung fallenlassen: Dass nämlich China mit seinen rasch wachsenden Atom- und Raketenstreitkräften zwingend mit am Tisch sitzen muss. Und, dass es sich für seine rasch wachsenden Waffenarsenale ebenfalls auf Obergrenzen verpflichtet. Peking lehnte das zunächst rundweg ab – und zeigt sich weiterhin äussert sperrig.

Treffen zwischen Putin und Trump?

Die Aufweichung der US-Position dürfte damit zu tun haben, dass Präsident Donald Trump dank eines verlängerten Atomvertrags mit Moskau doch noch einen aussenpolitischen Erfolg einzufahren hofft. Idealerweise gekrönt von einem Gipfeltreffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Washington. Pünktlich vor den US-Wahlen Anfang November.

Noch ist New Start nicht gerettet. Doch dies wenigstens zu versuchen, ist es wert – egal, wie lauter die Motive sind. Zum einen wegen der Sache selbst: Weil sich damit ein neues nukleares Wettrüsten zwischen den beiden Grossmächten wenigstens bremsen liesse. Zum andern wegen der Symbolik: Weil so die USA und Russland, die sich seit Beginn der Ukrainekrise spinne feind sind, endlich mal wieder etwas Gemeinsames zustande brächten.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Echo der Zeit, 18.08.2020, 18 Uhr

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