Seit die kanadische Aussenministerin Chrystia Freeland die Festnahme der Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Samar Badawi auf Twitter kritisiert hat, herrscht zwischen Kanada und Saudi-Arabien diplomatische Eiszeit.
Saudi-Arabien wies daraufhin unter anderem den kanadischen Botschafter aus, stoppte die Flüge der staatlichen Saudi Airlines nach Toronto und blockiert die neuen Handelsverträge. Journalist Gerd Braune lebt und arbeitet in der kanadischen Hauptstadt Ottawa und beobachtet Kanadas Umgang mit der Krise.
SRF News: Wie kommen die Vergeltungsmassnahmen der Saudis in Kanada an?
Gerd Braune: Die Entwicklung wird hier in Kanada aufmerksam beobachtet und die Sache nimmt in den Medien breiten Raum ein. Man war zunächst sehr überrascht über die heftigen Reaktionen der Saudis und über die Ausweisung des kanadischen Botschafters. Denn der Tweet von Chrystia Freeland gilt als relativ harmlos. Er drückt die Besorgnis über die Festnahme von Menschenrechts- und Frauenrechtsaktivistin Samar Badawi aus.
Freeland hätte es bei einer traditionellen Presseerklärung oder gar bei der stillen Diplomatie belassen können, wird in den Medien diskutiert.
Doch bisher herrscht in Kanada noch Gelassenheit. Es ist noch nicht so richtig abzusehen, wie diese Massnahmen Riads wirken werden, wie umfangreich und wie dauerhaft insbesondere die Massnahmen im Wirtschaftsbereich sein werden. Hier müssen wir abwarten. Aber es droht natürlich die Gefahr, dass kanadische Unternehmen künftig in Saudi-Arabien bei allen grossen Investitionen ausgeschlossen sein könnten.
Gibt es keine Kritik an den Worten der Aussenministerin in diesem Tweet, auch nicht vom politischen Gegner?
Bisher versucht die Opposition nicht, diese Spannungen zwischen Riad und Ottawa auszuschlachten. Es ist auch schwer vorstellbar, dass dies gelingen könnte. In den Medien wird vereinzelt darüber diskutiert, ob es weise war, dass die Ministerin Twitter genutzt hat. Denn Twitter füllt sofort den gesamten Raum der Social Media. Freeland hätte es bei einer traditionellen Presse-Erklärung oder gar bei der stillen Diplomatie belassen können. Kanada hat das traditionell ja gepflegt. Der Einzige, der sich hier etwas stärker geäussert hat, ist der frühere konservative Aussenminister John R. Baird. Er hat der Regierung vorgeworfen – obwohl Chrystia Freeland insgesamt eine gute Arbeit als Aussenministerin mache –, die Beziehungen zu Riad seien in den vergangenen zwei, drei Jahren vor allem wegen der Kritik an der Lieferung von Panzerfahrzeugen schlechter geworden. Das wirft man der liberalen Regierung von Seiten der Konservativen vor.
Aus den USA heisst es, Saudi-Arabien und Kanada müssten diesen Konflikt alleine lösen. Wie reagiert man in Kanada auf diese Zurückhaltung ?
Ja, es wird aufmerksam registriert, dass man in diesem Konflikt in Washington keinen lautstarken Mitstreiter findet. Das US-Aussenministerium hat noch einmal deutlich gemacht, dass man sich nicht einmischen will. Es hat auch sehr zurückhaltend um Informationen über die Festnahme der Menschenrechtsaktivistin in Saudi-Arabien nachgesucht. Und man muss bedenken, dass Präsident Trump ja auch ein recht gutes Verhältnis zum saudischen Herrscherhaus hat, seit seinem Besuch in Riad im Frühjahr 2017. Auch sein Schwiegersohn Jared Kushner hat einen guten Draht zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der ja der starke Mann in Saudi-Arabien ist. Hier kann Ottawa von Seiten der USA nicht sehr viel Unterstützung erwarten.
Das Gespräch führte Christina Röthlisberger.