Die letzte Schweizer Schönheitskönigin wurde 2018 gekrönt: Seither findet der Wettbewerb hier nicht mehr statt. Anders in den USA: Jährlich werden dort die Miss USA und die Miss Teen USA gewählt. Doch die amtierenden Gewinnerinnen sind in den letzten Wochen zurückgetreten. Heike Paul ist Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Gender Studies und Amerikanistin an der Uni Erlangen-Nürnberg und erklärt die Hintergründe.
SRF News: Die Miss USA und die Miss Teen USA sind zurückgetreten. Das sorgt für Wirbel. Überrascht Sie das?
Heike Paul: Eigentlich nicht. Dieser Wettkampf ist schon seit längerem skandalumwittert. Durch den Rücktritt der Frauen bekommt man einen Blick hinter die Kulissen und sieht, wie der Umgang ist mit den jungen Frauen, die per Vertrag dazu verpflichtet wurden, über viele Dinge nicht zu reden. Der aktuelle Skandal knüpft an eine ganzen Serie von problematischen Vorfällen an, die sich bei diesen Wettbewerben ereignen.
In der Schweiz gibt es schon länger keine Schönheitswettbewerbe mehr. Wie beliebt sind solche Wettkämpfe noch in den USA?
Sehr beliebt. Es gibt nicht nur die nationale Wahl zur Miss USA, auch jeder Bundesstaat hat eine Schönheitskönigin, es gibt auch regionale und lokale Wettbewerbe. Es geht schon bei den kleinen Mädchen los. Da ist ein differenziertes System installiert, das sich sicherlich nicht so leicht verändern oder abschaffen lässt. Wenn man genauer hinschaut, sieht man aber gewisse Krisenanzeichen, zum Beispiel die Einschaltquoten, die in den letzten Jahren rückläufig waren. Aber der Wettbewerb ist auch Teil der amerikanischen Kultur.
Warum ist das heute – wo wir in Sachen Gleichberechtigung und Objektifizierung von Menschen sensibilisierter sind – immer noch so ein grosses Business?
Es ist wohl der alte Traum vom Aschenputtel, das dann entdeckt wird. Diese Idee ist oft verbunden mit spezifisch weiblichen Vorstellungen vom amerikanischen Traum. Andererseits sind auch Geschäftsinteressen im Spiel. Dieser Zwiespalt zwischen der Idee der weiblichen Gleichberechtigung und andererseits der Objektifizierung ist ein fundamentaler Widerspruch, der diesem Wettbewerb auch eingeschrieben ist, wie ich finde. Wir dürfen nicht vergessen: Der erste Miss America Wettbewerb wurde 1921 durchgeführt, also das gleiche Jahr, in dem die Frauen in den USA das Wahlrecht bekamen.
Gibt es auch kritische Stimmen in den USA?
Die gab es schon immer. Viele Kritiker stossen sich an der Objektifizierung der Frau, gerade auch an der Nacktheit. Auch Schönheitsoperationen, an denen eine ganze Industrie hängt, sind ein Thema. Frauen wollen bestimmten Normen entsprechen, das ist eigentlich überhaupt nicht feministisch und bindet sie eher an enge Normen. Insofern würde ich sagen: Die kritische Begleitmusik war von Anfang an da. Sie ist jetzt im Zuge der Skandale lauter geworden und stellt uns vor die Frage, ob das grundsätzlich noch zeitgemäss ist.
Werden diese aktuellen Skandale Einfluss haben auf diese Industrie?
Es wird vielleicht personelle Konsequenzen haben. Man wird vielleicht auch die Frauen künftig besser behandeln. Denn sie werden ja auch dazu gebracht, Verträge zu unterschreiben, die sie zum Teil gar nicht verstehen. Gleichzeitig zeigt auch die Populärkultur, dass die Idee dieser Schönheitswettbewerbe in ganz andere populäre Formate übernommen wurde, wo es etwa darum geht, Topmodel zu werden. Insofern ist die grundsätzliche Idee dieser Wettbewerbe sicherlich sehr langlebig.
Das Gespräch führte Silvia Staub.