- Frauenrechtsorganisationen in der Türkei haben sich angesichts des offiziellen Austritts des Landes aus der Istanbul-Konvention für einen stärkeren Frauenrechtskampf ausgesprochen.
- Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International äusserte sich in einer Mitteilung: Die Türkei habe die Uhr für Frauenrechte um zehn Jahre zurückgedreht. Millionen von Frauen und Mädchen seien nun einem grösseren Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden.
- Das Land tritt trotz heftiger Kritik per 1. Juli offiziell aus dem Abkommen zum Schutz von Frauen gegen Gewalt aus. Es sind deswegen Demonstrationen angekündigt.
Die Chefin der Föderation der Frauenverbände der Türkei, Canan Güllü, sagte bezüglich des heute in Kraft tretenden Austritts gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: «Nichts kann uns die Stimmung und Motivation verderben.» Nichtsdestotrotz hätten Opfer von Gewalt in der Türkei zunehmend mehr Angst und fragten sich, «wer sie schützen wird», so Canan Güllü weiter.
Wenn Politikerinnen und Politiker auf Landesebene nicht mehr mitspielten und die Konvention nicht umsetzten, würden sich Verbände eben an die regionalen Regierungen wenden.
Canan Güllü sagte auch: «Frauen machen 50 Prozent der Population dieses Landes aus. Die Verantwortlichen dieses Entscheids können sie nicht einfach ignorieren und das Fenster zu Menschenrechten nicht einfach schliessen.»
Erdogan fasste den Austrittsentschluss im März
Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Austrittsentschluss im März verkündet. Es kam landesweit zu Protesten. Auch international gab es viel Kritik. Organisationen und Parteien klagten gegen die Entscheidung. Das oberste Verwaltungsgericht der Türkei wies die Klage aber am Dienstag ab. Güllü kritisierte die Entscheidung des Gerichts als «politisches Urteil».
Die Türkei ist das erste Land, das aus der Konvention austritt. Die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, sagte: «Türkei hat die Uhr für Frauenrechte um zehn Jahre zurückgestellt und einen erschreckenden Präzedenzfall geschaffen.»
Für Kritik im Land sorgt derzeit auch eine Passage einer geplanten Justizreform. Berichten zufolge sieht diese vor, dass zur Verfolgung von sexuellem Missbrauch etwa konkrete Beweise für die Tat vorgelegt werden müssten. Verhaftungen wegen Sexualdelikten würden so unmöglich gemacht, hiess es von Frauenrechtsorganisationen.