«Good governance», gute, saubere Regierungsführung – diesem Ziel verpflichten sich fast alle Regierungen. Zumindest verbal. Oder auf dem Papier.
Jene von Guatemala hat deswegen ursprünglich die Tätigkeit einer UNO-Antikorruptionskommission begrüsst. Sie half in Dutzenden von Fällen, korrupte Spitzenfunktionäre vor Gericht zu bringen. Seit jedoch der ehemalige Komiker und heutige guatemaltekische Präsident Jimmy Morales selber zum Gegenstand von Untersuchungen wurde, ist Feuer im Dach. Die UNO-Spezialisten werfen Morales missbräuchliches Verhalten bei der Wahlkampffinanzierung vor und verlangen, dessen Immunität aufzuheben.
Das lässt sich der Präsident nicht bieten. Er kündigt über Nacht die Kooperation mit der UNO auf und wirft die UNO-Equipe aus dem Land. Sie wurde ihm schlicht zu gefährlich. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres protestiert scharf und verlangt von Guatemala, sich an die Vereinbarungen zu halten. Er wird damit kein Gehör finden.
Ein zweiter Fall: Vor gut einer Woche erklärte die somalische Regierung Nicholas Haysom, den Chef der Unsom, der UNO-Organisation in Somalia, zur unerwünschten Person. Der Grund, weshalb er in Somalia in Ungnade fiel: Er kritisierte die dortige Regierung, weil sie zu brutal gegen Demonstranten vorging. UNO-Chef Guterres bedauerte zutiefst, erklärte zunächst, er wolle Haysom im Amt belassen, knickte dann aber ein und will ihn jetzt durch jemanden Genehmeres ersetzen.
Schwache Länder im Streit mit der UNO
Zwei ähnliche Fälle. Zwei Fälle, in denen die Regierungen von schwachen Ländern einen Streit mit der UNO vom Zaun brachen. Und sich durchsetzen.
Dazu passen andere Fälle: Nordkorea oder Iran, welche Berichterstatter des UNO-Menschenrechtsrates nicht mal ins Land lassen. Burma, wo sich die Schweizer UNO-Vermittlerin Christine Schraner Burgener wie auf Eiern bewegen muss, um vom Regime akzeptiert zu werden. Syrien, das sich weigerte, mit der Ermittlungskommission des Menschenrechtsrates, der auch die Schweizer Carla del Ponte angehörte, zusammenzuarbeiten. Israel, das jegliche Kooperation mit dem UNO-Menschenrechtsrat aufkündigte. Jedes Mal gibt es scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen, Hilfswerken oder liberalen Denkfabriken. Doch von den Regierungen, vor allem von jenen mächtiger Länder ist wenig bis nichts zu hören. Sie machen kaum Druck auf autoritäre Regime.
Das heisst: Gerade bei Kernthemen wie Demokratieförderung, Verteidigung der Menschenrechte oder saubere Regierungsführung ist die UNO geschwächt. Zum einen schwindet unter den UNO-Mitgliedern die Zahl der freien, rechtsstaatlichen Demokratien, hingegen legt das Lager der halb oder ganz autoritären Länder an Gewicht zu. Zum andern verlor die Supermacht USA unter Präsident Donald Trump jegliches Interesse an der Demokratie- oder Menschenrechtsthematik. Und schliesslich ist Europas Gewicht weniger spürbar, seit die EU mit hausgemachten Problemen absorbiert ist.
Das heisst: Einerseits arbeitet die UNO besser und professioneller. Sie verbrämt unbequeme Erkenntnisse weniger in diplomatischen Floskeln – und eckt so bei Machthabern häufiger an. Andrerseits verliert die UNO angesichts der weltpolitischen Spannungen an Einigkeit und damit an Durchschlagskraft. Das merken autoritäre und halbautoritäre Regime, erst recht solche mit potenten Schutzmächten wie Syrien, Nordkorea oder Burma. Sie treten gegenüber der UNO forscher, ja dreister auf. Weil sie es sich erlauben können.