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Screenshots alle fünf Minuten Wie ein geschmuggeltes Handy die Zensur in Nordkorea entlarvt

Eine Zeitung in Seoul beschafft sich aus Nordkorea ein Handy. Die Autokorrektur macht aus «Südkorea» «Marionettenstaat».

Darum geht es: Aus Nordkorea ist ein Handy herausgeschmuggelt worden. Es enthüllt die Zensur, welcher die Menschen in der nordkoreanischen Diktatur ausgesetzt sind. Tippt ein User oder eine Userin beispielsweise «Südkorea» auf Koreanisch ein, dann ersetzt die Autokorrektur auf dem Gerät das Wort mit «Marionettenstaat», wie die BBC bei einem Test herausgefunden hat. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass das Regime in Nordkorea nicht zulässt, dass die Autokorrektur ausgeschaltet oder umgangen werden kann. Die unabhängige Nachrichtenorganisation «Daily NK» mit Sitz in Seoul hat demnach das Smartphone bereits vor einigen Monaten auf unbekanntem Wege aus Nordkorea herausbekommen.

Weitere Beispiele der Zensur: Das Wort «Oppa» bedeutet im südkoreanischen Slang «Freund» oder «Geliebter». Wenn dieses Wort eingegeben wird, dann blendet das Handy automatisch eine Warnung ein, dass dieses Wort nur benutzt werden darf, wenn mit «Oppa» ein älterer Bruder gemeint ist. Falls nicht, wird es mit «Genosse» ersetzt. Ausserdem führt die Software alle fünf Minuten einen Screenshot vom aktuellen Bildschirm aus und speichert die Daten in einem Ordner, den die User nicht öffnen können, wohl aber der nordkoreanische Geheimdienst.

Smartphones in Nordkorea: Gemäss dem freien Ostasien-Korrespondenten Martin Fritz haben die Nordkoreanerinnen und -koreaner Zugang zu Smartphones mit dem Namen Samthaesong. Sie laufen mit dem Betriebssystem Android, das anpassbar ist. «Diese Software hat das Regime offenbar geändert, um die Bürger auch auf diesem Kanal zu indoktrinieren», sagt Martin Fritz. Die nordkoreanische Bevölkerung könne zwar mit dem Smartphone surfen, habe aber keinen Zugang zum weltweiten Internet, sondern einer Art «nationales Intranet», worin alle Inhalte der Propaganda entsprechen.

Menschen fahren mit Fahrrädern und gehen vor einem Gebäude.
Legende: Mit dem Smartphone, das sich in einem eigenen isolierten Internet bewege, sei Dauerindoktrination von nordkoreanischer Propaganda im 21. Jahrhundert angekommen, sagt der freie Ostasien-Korrespondent Martin Fritz. AP Photo/Wong Maye-E

Deshalb greift das nordkoreanische Regime durch: Der Hauptgegner des nordkoreanischen Regimes ist – auch wegen der gemeinsamen Sprache – Südkorea. Diktator Kim Jong-un propagiert einen Krieg gegen das Nachbarland und lehnt eine Wiedervereinigung ab. «Daher muss er unbedingt verhindern, dass sich die Nordkoreaner mit den Südkoreanern emotional verbunden fühlen», sagt Fritz. Um dieses Ziel zu erreichen, ist auch das Schauen von südkoreanischen TV-Shows, die auf USB-Sticks nach Nordkorea geschmuggelt werden, verboten. Gleiches gilt bei Benützung typisch südkoreanischer Ausdrücke. Sogar das Nachahmen des südkoreanischen Akzents oder Frisuren in südkoreanischem Stil sind untersagt. Patrouillen auf öffentlichen Strassen setzen die Verbote um.

Die fliegenden USB-Sticks der Wahrheit

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Es gibt Aktivistengruppen in Südkorea, die Ballons nach Nordkorea schicken, an denen USB-Sticks mit Aufklärungsmaterial hängen. Solche Sticks werden auch über die chinesisch-nordkoreanische Grenze geschmuggelt.

Für die Bürger in Nordkorea sei es allerdings am besten, wenn sie nichts von diesen Sticks oder generell der Wirklichkeit wissen, vermutet Ostasien-Korrespondent Fritz. Alles andere würde sie in Gefahr bringen. Das Regime sei auf so vielen Lügen und verfälschten Wahrheiten aufgebaut, dass es unbedingt verhindern müsse, dass die Bevölkerung Zugang zu wahren Informationen bekäme. «Seit 80 Jahren schafft das Regime es im Prinzip, dass die Bürger so gut wie keinen Zugang zu unabhängigen Informationen haben, um sie eben maximal in seinem Sinn indoktrinieren zu können», sagt Martin Fritz.

Nordkoreas technisches Know-how: Nordkorea verfügt über viele Softwareexperten. Sie sind im Einsatz für das Regime, um beispielsweise Krypto-Börsen zu hacken und Firmen mit der Blockade ihrer Daten zu erpressen, damit das Regime an ausländisches Geld kommt. «Bei so viel Wissen ist es eine Kleinigkeit, zum Beispiel die Autokorrektur anders zu programmieren», schliesst Martin Fritz.

Korrekturhinweis

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In einer früheren Version dieses Artikels ist das Wort «Oppa» fälschlicherweise mit «Geliebte» ersetzt worden statt mit der männlichen Form «Geliebter». Das haben wir nun angepasst.

SRF 4 News, 2.6.2025, 11:46 Uhr ; 

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