In Bayern steht ein Stabswechsel an: Markus Söder übernimmt von Horst Seehofer den Posten als bayrischer Ministerpräsident. Der bisherige starke Mann der CSU wechselt als Bundes-Innenminister in die Regierung von Angela Merkel nach Berlin.
Söder tritt kein einfaches Erbe an. Bei der Bundestagswahl im September musste die CSU einen Wählereinbruch hinnehmen. Das sei eine schwierige Ausgangslage im Hinblick auf die Landtagswahl im kommenden Oktober, wie der ehemalige Chefredaktor des Bayrischen Rundfunks, Sigmund Gottlieb, erläutert.
SRF News: Hat Markus Söder das Zeug zum Seehofer-Nachfolger?
Sigmund Gottlieb: Ich glaube schon. Er ist sicher der stärkste unter den derzeit in Frage kommenden Kandidaten. Markus Söder hat viel Erfahrung und bislang auch aus jedem ihm anvertrauten Amt etwas gemacht, sei das nun als bayrischer Umwelt- oder Finanzminister. Ich traue ihm einiges zu.
Was zeichnet Söder besonders aus?
Er ist extrem fleissig und hat den unbedingten Willen zur Macht. Das braucht man auch in einer solchen Funktion. Er hat ein über Jahrzehnte gewachsenes Netzwerk in der Partei. Ausserdem ist Söder extrem lern- und wandlungsfähig.
Hat Söder auch Schwächen?
Wie jeder hat sicher auch Söder Schwächen. Ich glaube, er ist bei weitem nicht so nervenstark wie der bisherige bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer. Hinter seiner sehr rauen Schale und dem derben Auftreten ist Söder doch sehr empfindlich. Er hat die Neigung zur politischen Kumpanei und bei der Wahl seiner Mittel war er in der Vergangenheit nicht immer zimperlich.
Innerhalb der CSU hat man Seehofer nicht mehr viel zugetraut, und Söder konnte in dieses Vakuum vorstossen.
Wie kommt Söder bei den Leuten in Bayern an?
Das wird man sehen. In seiner Partei, der CSU, konnte er in den letzten Wochen viele Pluspunkte sammeln. Der Wunsch nach Erneuerung war stark spürbar. Man hat Seehofer nicht mehr viel zugetraut, und Söder konnte in dieses Vakuum vorstossen.
Der Machtwechsel innerhalb der CSU war von Grabenkämpfen geprägt. Bringt Söder nun einen frischen Wind in die Münchner Staatskanzlei oder wird er die Politik Seehofers einfach weiterführen?
Er wird beides tun. Wo Seehofers Arbeit erfolgreich war, wird er diese weiterführen. Allerdings muss er im Hinblick auf die Landtagswahl in Bayern im Oktober eigene Akzente setzen. So muss er sich intensiv der Digitalisierung oder der Wohnungspolitik annehmen. Söder macht es wie Bundeskanzlerin Angela Merkel: Er nimmt der Opposition die Themen weg. Das grosse Thema bis zur Wahl bleibt innere Sicherheit, Flüchtlinge und Abschiebepraxis. Auch wenn die beiden keine Freunde sind, könnte hier zwischen Bundes-Innenminister Seehofer und dem Bayerns Ministerpräsident Söder inhaltlich durchaus eine Brücke entstehen.
Das wird der für die CSU schwierigste Wahlkampf der Nachkriegsgeschichte.
Können die beiden überhaupt zusammenarbeiten?
Sie müssen es versuchen. Zwar wird das auf Dauer wohl nicht ohne Verwerfungen und Konflikte gehen, aber beide sind Politik-Vollprofis und wissen, dass man so kurz vor einer Wahl keinen Konflikt auf dem Marktplatz austragen kann. Was nach den Landtagswahlen kommt, hängt dann wiederum vom Wahlergebnis ab.
Die CSU in Bayern musste bei der Bundestagswahl einen Rückgang in der Wählergunst von rund 50 auf unter 40 Prozent hinnehmen. Die Landtagswahl im Oktober dürfte für Söder also zu einer Herausforderung werden...
Das wird sicher der schwierigste Wahlkampf, den die CSU in der Nachkriegszeit zu bestehen hat. Aus heutiger Sicht gibt es grosse Zweifel daran, dass es nochmals für eine absolute Mehrheit reichen wird. Wahrscheinlicher ist, dass es zu einer Koalition kommen wird – mit wem auch immer.
Das Gespräch führte Markus Föhn.