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Seeleute im Schiff festgesetzt Der bizarre Fall eines gekaperten Schweizer Tankers in Nigeria

Ein Öltanker unter Schweizer Flagge wird seit 17 Monaten in Nigeria festgehalten. Nun hat die Schweiz genug.

Der Fall ist ungewöhnlich, ein Stück weit gar bizarr. Erstmalig klagt ein Binnenland, in diesem Fall die Schweiz, vor dem UNO-Seegericht in Hamburg. Dieses ist zuständig für Streitigkeiten auf hoher See, dort wo die nationalen Hoheitsgewässer aufhören.

Konkret geht es um den Öltanker «San Padre Pio». Er fährt unter Schweizer Flagge, gehört der Genfer Reederei ABC Maritime und war von der ebenfalls in der Schweiz domizilierten Firma Augusta Energy gechartert.

Logo des Seegerichts.
Legende: Das UNO-Seegericht in Hamburg wird sich in den nächsten zwei Wochen mit der schweizerischen Klage befassen. Keystone

Die «San Padre Pio» sollte im Januar 2018 Brennstoff vom togolesischen Hafen Lomé zu einer Ölplattform liefern. Ein Routinetransport. Bis sie völlig unerwartet auf hoher See von der nigerianischen Marine abgefangen wurde. 32 Meilen von der Küste entfernt, also weit ausserhalb der Territorialgewässer Nigerias.

Die Schweiz zögerte lange, das zu tun. Aus Rücksicht auf die guten Beziehungen zu Nigeria, selbst in heiklen Fragen wie der Migrationspolitik oder der Rückführung der Gelder von Ex-Diktator Sani Abacha.

Gespräche auf höchster Stufe erfolglos

Mehr als ein Dutzend diplomatische Noten wurden in Bern verfasst, man nutzte direkte Kontakte, stets mit dem Ziel, die nigerianische Regierung zu einer freundschaftlichen Regelung zu bewegen, betont die Schweizer Vertreterin Corinne Cicéron, Direktorin für Völkerrecht im Departement für auswärtige Angelegenheiten.

Im Januar, am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, wandte sich Aussenminister Ignazio Cassis direkt an den nigerianischen Wirtschaftsminister. Man wartete erneut mehrere Monate umsonst ab. Von nigerianischer Seite herrschte weiter Funkstille.

Mann an Pult.
Legende: Selbst nach den Gesprächen von Bundesrat Ignazio Cassis kam Nigeria der Schweiz nicht entgegen. Keystone

Auch siebzehn Monate nach der «de-facto»-Kaperung bleibt das Schiff beschlagnahmt, ebenso die Fracht. Die vier ukrainischen Offiziere wurden zuerst ins Gefängnis gesteckt und stehen nun in einem nigerianischen Hafen an Bord unter Arrest, bewacht von bewaffneten Aufpassern, was Nigeria allerdings bestreitet. Niederrangige Seeleute konnten inzwischen das Land verlassen.

Die Schweizer Rechtsvertreterin wählte deutliche Worte: «Nigeria hat die UNO-Seerechtskonvention krass verletzt und völlig rechtswidrig gehandelt.»

Nigeria änderte die Begründung für die Beschlagnahmung mehrfach. Vage wurde von einer Verletzung der Regeln für den Ölhandel gesprochen. Aus Schweizer Sicht hingegen lieferte Nigeria nie plausible juristische Begründungen.

«Gestohlenes Öl befördert»

Erst jetzt, beim Prozess, enthüllt die nigerianische Rechtsvertreterin Chinwe Uwandu welche. Die «San Padre Pio» habe gestohlenes nigerianisches Öl befördert, heisst es auf einmal.

Es möge zwar sein, dass man der Schweiz diese Informationen zu lange vorenthalten habe. Doch Nigeria habe bloss seine souveränen Rechte ausgeübt. Von der Schweizer Klage sei man überrascht worden.

Schwierige humanitäre Lage

Die Schweiz fordert die sofortige Freigabe des Schiffs, das im feuchtheissen Klima Nigerias verrottet, der Fracht und der Seeleute, deren humanitäre Situation untragbar sei. Nigeria bestreitet jedes Recht der Schweiz, so etwas zu fordern. Es bestehe zudem gar keine Notwendigkeit, das UNO-Gericht einzuschalten und keinerlei Eile zu handeln. Man solle der nigerianischen Justiz Zeit lassen.

Doch wer sich dort in welcher Instanz um das Verfahren kümmert, sagt sie nicht. Das Urteil in Hamburg soll in zwei Wochen fallen.

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