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Frambösie: Infektionskrankheit grassiert in Zentralafrika
Aus Rendez-vous vom 14.10.2022. Bild: AP Photo/Adrienne Surprenant
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Seltene Tropenkrankheit Schon eine Tablette würde reichen, um die Frambösie zu besiegen

Die Krankheit plagt Menschen in abgelegenen Gegenden. Etwa das Aka-Pygmäenvolk in Zentralafrikas Regenwald. Die Behandlung wäre einfach und ist doch schwer.

Nach einer halben Stunde Fussmarsch durch den Regenwald hört man erste Stimmen durch die grüne Blätterwand. Hier muss das Dorf der Aka sein. Das Pygmäenvolk in der Zentralafrikanischen Republik lebt in sehr einfachen Verhältnissen.

Dorfvorsteher Bernard Songo heisst uns willkommen im Dorf Makaman, das aus einigen verstreuten Hütten besteht. Die Dorfbewohner haben für die Besucher eine einfache Bank gezimmert und schattenspendende Palmwedel aufgestellt.

Zwei Frauen sitzen in einer Hütte und schälen Maniokwurzeln
Legende: Zwei Aka-Frauen schälen im Wald gesammelte Maniokwurzeln. Samuel Burri/SRF

Die Aka leben als Nomaden im tropischen Regenwald in der Region zwischen Zentralafrika, Kamerun und dem Kongo. Ihre Behausungen bauen sie aus Ästen und Blättern, oft fehlen die Wände. Die Menschen ernähren sich von Wurzeln, Blättern oder Raupen, die sie im Wald sammeln.

Gesundheit und Bildung als Probleme

Das Leben der Aka sei nicht schlecht, erklärt Dorfvorsteher Songo: «Doch unsere Kinder können nicht zur Schule. Und viele von uns leiden an Krankheiten.»

Eine dieser Krankheiten ist die Frambösie. Laut der Hilfsorganisation Fairmed ist in gewissen Gegenden ein Viertel der Bevölkerung betroffen. Die Infektionskrankheit beginnt mit Blasen. Diese platzen auf und es entstehen himbeerrote Wunden – daher der Name Frambösie.

Aka-Frau mit einem Baby an der Brust
Legende: Viele Aka kennen weder ihr Alter noch können sie ihren Namen schreiben. Samuel Burri/SRF

Paul Mbomba zeigt seinen vernarbten linken Fuss. Dem Mann fehlen zwei Zehen. Die Krankheiten Frambösie und Lepra haben den Fuss stark in Mitleidenschaft gezogen. Mbomba hatte sich in einem weit entfernten Gesundheitszentrum behandeln lassen. «Doch dann ist die Krankheit wiedergekommen.»

Einfache Behandlung mit Antibiotikum

Die Lebensweise der Aka begünstigt die Verbreitung von Infektionskrankheiten. Die hygienischen Verhältnisse sind schlecht. Zudem schlafen die Familien nachts dicht beieinander, am Boden oder auf Holzplanken. «Am Morgen wacht man auf und entdeckt die Pickel», erzählt Raisa Ndobele. Sie ist die Tante der sechsjährigen Davi Bonguila. Kinder sind besonders oft von der Frambösie betroffen.

ein Mädchen des Aka-Volkes
Legende: Davi Bonguila war mit Frambösie infiziert. Dank der Behandlung zeugt nur noch die Narbe am Mundwinkel davon. Samuel Burri/SRF

Bei der kleinen Davi hat die Behandlung gewirkt. Schon eine Tablette eines Antibiotikums reicht nämlich. Die Wunde am Mundwinkel ist beinahe verheilt. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums fotografiert Davi und bestätigt: «Es ist schon viel besser geworden.»

Was ist die Frambösie?

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Legende: Von Frambösie und Lepra gezeichneter Fuss eines Aka. Samuel Burri/SRF

Die Infektionskrankheit Frambösie kommt nur noch in rund 15 Ländern weltweit vor. Sie gehört zu den sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten. Das bedeutet, dass sie vor allem in entlegenen Gebieten vorkommt und relativ wenig erforscht ist.

Die Frambösie wird durch ein Bakterium übertragen und kann mit dem Antibiotikum Azithromycin wirksam behandelt werden. Weltweit kommt es jährlich zu geschätzten 40'000 bis 50’000 Fällen. Eigentlich wollte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Krankheit bis 2020 weltweit ausrotten.

Dass die Krankheit im zentralafrikanischen Regenwald vorkommt, hat mehrere Gründe: Einerseits erleichtert das tropische Klima die Verbreitung. Andererseits leben die Waldbewohner unter schwierigen hygienischen Verhältnissen und haben kaum Zugang zu Gesundheitszentren und Medikamenten.

Die Behandlung im zentralafrikanischen Regenwald wird von der Schweizer Organisation Fairmed durchgeführt, im Auftrag der regionalen Gesundheitsbehörden. Ghislain Gazon koordiniert die Massenbehandlung – schon über eine halbe Million Menschen erhielten die kleine weisse Tablette. Doch die Verteilung des Medikaments sei nicht einfach, erklärt Gazon: «Die Aka ziehen oft weiter, dann müssen wir sie im Wald suchen gehen, um sie behandeln zu können.»

Aka-Frauen mit Kindern sitzen im Regen in einer Hütte
Legende: Die Aka führen im tropischen Regenwald ein sehr simples Leben. Oft besitzen ihre Hütten keine Wände. Samuel Burri/SRF

Dazu kommt, dass die Waldbewohner über das Medikament und seine Wirkung aufgeklärt werden müssen. Besonders die Nebenwirkungen sollten angesprochen werden, um Misstrauen zu beseitigen. «Vor der Behandlung gehen wir zu den Leuten und erklären ihnen mit kleinen Theaterstücken die Vorteile des Medikaments», so Gazon.

Könnte die Frambösie in die Schweiz kommen?

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«Eine Ausbreitung in Europa ist unwahrscheinlich», sagt Jürg Utzinger vom Schweizerischen Tropeninstitut Swiss TPH. «Doch der Klimawandel oder ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems aufgrund einer politischen Krise könnten die Ausbreitung der Frambösie begünstigen.» Darum sei die Überwachung und Eindämmung der Krankheit wichtig.

Die Frambösie existierte schon im Mittelalter in Europa. Das zeigen Analysen von Gräbern. «In den 1980er-Jahren gab es im globalen Norden nur noch weniger als 500 Fälle pro Jahr», erklärt Utzinger. Heute ist die Krankheit bei uns praktisch eliminiert.

Eine Ausrottung der Krankheit sei möglich, aber aufwändig und kostenintensiv, erklärt der Direktor des Swiss TPH: «Vorerst sollte man deshalb auf die Elimination in den Ländern fokussieren, wo die Krankheit besonders häufig vorkommt.» Eine weltweite Ausrottung ist mit grossen Anstrengungen verbunden, wie das Beispiel des Aka-Volks zeigt. «Der letzte Schritt zur Eradikation ist bei jeder Infektionskrankheit sehr schwierig», gesteht Utzinger.

Die Massenbehandlung im Urwald Zentralafrikas hilft, die Frambösie einzudämmen. Für dieses Jahr ist sie abgeschlossen. Nun rückt die kleine weisse Tablette für die Aka wieder in weite Ferne. Das Antibiotikum kostet rund acht Franken – für die Waldbewohner praktisch unbezahlbar.

Lebensweise erschwert Bekämpfung der Krankheit

Trotz vieler Nachteile wollen die Aka ihre traditionelle Lebensweise nicht aufgeben. Auf den ersten Blick würde es wohl Sinn machen, in die Nähe von medizinischen Einrichtungen und Schulen zu ziehen. Doch die Eingliederung der Pygmäen in die zentralafrikanische Gesellschaft ist schwierig.

Der soziale Status der Aka ist niedrig. Ausserhalb des Waldes verrichten sie bloss kaum bezahlte Hilfsarbeiten. Zudem gefalle ihm das Leben im Wald, erklärt Dorfvorsteher Bernard Songo: «Schon unsere Vorfahren haben so gelebt, hier sind wir zu Hause.» Doch so lange das Pygmäenvolk im Regenwald unterwegs ist, bleibt die Eliminierung der Frambösie praktisch undenkbar.

Rendez-vous, 14.10.2022, 12:30 Uhr

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