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Italien und die Frauen
Aus Rendez-vous vom 29.12.2023. Bild: Reuters/GUGLIELMO MANGIAPANE
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Sexismus und Gewalt in Italien Die Wut der italienischen Frauen – das steckt dahinter

Mit Giorgia Meloni regiert seit Herbst 2022 erstmals eine Frau in Italien. Obwohl politisch konservativ, ist sie über die Parteigrenzen hinweg für viele Frauen zum Vorbild geworden. Ebenso prägend ist ihre linke Gegenspielerin Elly Schlein. SRF-Italien-Korrespondent Peter Voegeli erklärt, warum die Frauen Italien 2023 prägten und erstmals auch gegen die hohe Femizidrate auf die Strasse gingen.

Peter Voegeli

Peter Voegeli

Italien-Korrespondent

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Peter Voegeli ist seit Januar 2022 Italien-Korrespondent von Radio SRF. Von Rom aus hat er auch den Vatikan, Griechenland und Malta im Blick. Zwischen 2005 und 2011 berichtete er als USA-Korrespondent aus Washington DC. Danach war er während dreieinhalb Jahren Moderator von «Echo der Zeit» und von 2015 bis 2021 Deutschland-Korrespondent in Berlin. Von 1995 bis 2005 arbeitete der Historiker als Korrespondent für Schweizer Printmedien in Bonn und Berlin.

Wie stark bewegt Giorgia Meloni?

Ihre Wahl hat vor allem die Frauen in Italien sehr bewegt, auch diejenigen, die politisch anders ticken als Meloni. Viele waren sehr gerührt, weil die berühmte gläserne Decke durchbrochen wurde im stark männerdominierten Land. Und auch wenn Meloni politisch konservativ ist, so ist es doch ihr Lebensentwurf überhaupt nicht. Sie ist alleinerziehende Mutter und hat sich unter anderem wegen sexistischen Verhaltens kürzlich von ihrem Partner getrennt.

Georgia Meloni.
Legende: Premierministerin Giorgia Meloni spricht am 17. Dezember 2023 am Atreju-Festival der italienischen Rechten in Rom. Es ist das erste Jahr ihrer Regierungskoalition. Keystone/EPA/Fabo Cimaglia

Warum kommt «Postfaschistin» Meloni so gut an?

Giorgia Meloni wird reflexartig mit dem Attribut «postfaschistisch» versehen. Unbestritten ist die 46-jährige Politikerin nationalkonservativ und bei bestimmten Themen wie etwa der Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare sogar reaktionär. Sie ist aber keine Faschistin, sondern insgesamt eine Realpolitikerin, entsprungen dem einst faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), der sich in den 1990er-Jahren gewandelt hat. Der MSI war bereits im Nachkriegsparlament vertreten, ohne dass dies jemanden gestört hätte. Was auch zeigt, wie nonchalant Italien insgesamt mit seiner faschistischen Vergangenheit umgeht.

Was bewegt die linke Elly Schlein?

Mit 38 Jahren ist Elly Schlein für eine Politikerin in Italien aussergewöhnlich jung. 2020 hatte sie ihr Coming Out. Im Fernsehen begeisterte sie Italien mit den Worten: «Ich habe viele Männer geliebt, ich habe viele Frauen geliebt. Im Moment bin ich mit einer Frau zusammen und glücklich, solange sie es mit mir aushält.» Es waren besondere Sätze für Italien. Sie ist Tochter eines US-amerikanischen Professors und einer italienischen Professorin. Aufgewachsen in Lugano, hat sie auch den Schweizer Pass. Nur schon ihre Biografie hat der Feminismusbewegung in Italien einen Schub verliehen.

Elly Schlein.
Legende: Elly Schlein, Sekretärin des Partito Democratico, an einer Konferenz am 13. Dezember 2023 in Rom. Vorgestellt wird die Initiative «Sozial, grün, gerecht: das Europa, das wir wollen». imago images/Stefano Carofei

Wie prägend sind Meloni und Schlein im Alltag?

Sowohl Giorgia Meloni als auch Elly Schlein sind Vorbilder und Hoffnungsträgerinnen für die Frauen in Italien. Beide sind fast täglich in den Medien zu sehen, was ebenfalls prägend für eine Gesellschaft ist. Beide haben sich zudem bislang im männerdominierten Haifischteich der italienischen Politik gut behauptet, was nicht selbstverständlich ist.

Welche Rolle spielten die Femizide?

Über 100 Frauen wurden im laufenden Jahr in Italien von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet. Vor allem der letzte Mord an der 22-jährigen Giulia Cecchettin veränderte die Denkweise der Frauen. Ministerpräsidentin Meloni reagierte und versprach mehr Schutz. Die Frauen machten deutlich, dass sie nicht potenzielle Opfer sein wollten, die beschützt werden müssten. Die Wut der Frauen vor allem unter 40 richtete sich aber auch gegen ihre Lebensrealität. Denn obwohl die Grossfamilie unter einem Patriarchen Geschichte ist, wird in Italien immer noch ein gewisses soziales Verhalten vererbt: Wohnungen etwa müssen picobello geputzt sein, und es ist klar, wer das macht. Das Bild von der Sekretärin, die den Kaffee macht, steckt immer noch in den Köpfen. Auch die Kinderbetreuung beispielsweise ist in Italien vergleichsweise teuer und hängt oft an den Frauen.

Rendez-vous, 29.12.2023, 12:30 Uhr;

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