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Sexueller Kinderhandel Wie Betroffene von Missbrauch gegen sexuelle Ausbeutung kämpfen

Der Skandal um Jeffrey Epstein macht Schlagzeilen. Doch bis heute werden sexuell ausgebeutete Mädchen oft nicht erkannt. Ehemalige Betroffene kämpfen dafür, andere davor zu bewahren.

Niemand würde Lauri Burns ansehen, was sie durchgemacht hat. Ein Pflegekind, misshandelt und sexuell ausgebeutet, hatte sie als junge Frau den Tiefpunkt erreicht. Doch sie schaffte es, ihr Leben zu wenden. Seither ist es ihre Mission, andere Kinder zu retten.

Das Heim befindet sich in einem Vorort von Los Angeles
Legende: Lauri Burns führt das «Vera's Sanctuary» – ein Heim für Mädchen und junge Frauen, die ausgebeutet wurden. SRF / Viviane Manz

«Dieses Heim ist einzigartig», sagt sie und zeigt mit Stolz das Anwesen von «Vera's Sanctuary» in einem Vorort von Los Angeles, das sie über ihre Hilfsorganisation «The Teen Project» führt. Hier finden Mädchen und junge Frauen, die sexuell ausgebeutet wurden, Unterschlupf. «Viele haben all ihre Träume aufgegeben. Hier haben sie die Chance auf ein neues Leben, auf eine Ausbildung, die sie sich wünschen.»

Prozess gegen Ghislaine Maxwell

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Am 29. November 2021 beginnt der Prozess gegen Ghislaine Maxwell, die Ex-Freundin von Jeffrey Epstein. Wohl hunderte Mädchen und junge Frauen hat Jeffrey Epstein sexuell ausgebeutet. Maxwell soll Mädchen für ihn rekrutiert haben und ebenfalls an sexuellen Übergriffen teilgenommen haben, so der Vorwurf der Anklage. Epstein selbst wurde tot in seiner Zelle aufgefunden. Damit entging er dem Strafprozess, der neu aufgerollt wurde.

Dass er zuerst mit einem milden Vergleich davongekommen war, die Opfer nicht gehört wurden, wird von weiten Kreisen als Justizversagen kritisiert. Epstein war reich und hatte einflussreiche Bekannte. Unter ihnen waren auch Donald Trump, Bill Clinton und Prinz Andrew. Prinz Andrew wird beschuldigt, Sex mit einer Minderjährigen gehabt zu haben. Beobachter erhoffen sich von dem Prozess neue Einzelheiten zu Opfern oder möglichen weiteren Involvierten in die sexuelle Ausbeutung der Minderjährigen.

Epstein ist kein Einzelfall

Der Skandal um Jeffrey Epstein hat viele schockiert – doch er ist kein Einzelfall. Nach wie vor werden tausende Mädchen in den USA sexuell ausgebeutet.

Lauri Burns zeigt Sarah Kleider, umgeben von Kleidern und Schuhen in einem Raum
Legende: Lauri Burns (l.) will betroffenen Frauen wie Sarah (r.) die Chance auf ein neues Leben geben. SRF / Viviane Manz

Wie Sarah. Sie wurde mit 17 Jahren über Wochen vergewaltigt von einem Freund der Familie und anderen Männern. Bei Lauri Burns findet sie eine sichere Unterkunft, Therapie, Ausbildung. Es gibt auch gespendete Kleider für Vorstellungstermine.

Zuhälter bauen zuerst Vertrauen auf

Sarah war von zu Hause weggelaufen – was ihr Ausbeuter ausnutzte. «Ich war auf der Strasse. Er hat mich abgeholt und mir Essen gegeben oder ich konnte bei ihm duschen. Er brachte mich zurück. Mit der Zeit habe ich ihm immer mehr vertraut, dass er sich um mich kümmern würde. Eines Tages hat er mich mitgenommen und nicht mehr gehen lassen.»

Sarah steht neben einem Kleiderständer, im Hintergrund ein Spiegel
Legende: Sarah lebte auf der Strasse und baute Vertrauen zu ihrem späteren Ausbeuter auf – und wurde so sexuell ausgebeutet. SRF / Viviane Manz

Ein verletzliches Kind in Not – Vertrauen aufbauen – Manipulation. Das ist die typische Methode, wie jedes Jahr tausende Kinder in den USA sexuell ausgebeutet werden.

Opfer oft aus schwierigen Verhältnissen

So auch im Fall Jeffrey Epstein. Er war Zuhälter und Freier zugleich. Seine damalige Freundin, Ghislaine Maxwell, mutmassliche Helferin. Ihre Opfer: oft aus zerrütteten Familien, weggelaufen, bereits missbraucht. Maxwell und Epstein versprachen den Mädchen ein besseres Leben, Ausbildung, eine Modelkarriere oder schlicht Zuwendung.

Donald und Melania Trump posieren zusammen mit Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell
Legende: Ghislaine Maxwell (r.) mit Jeffrey Epstein (2.v.r.) und Melania und Donald Trump im Mar-a-Lago Club in Palm Beach in Florida. Getty Images

Epstein war ungewöhnlich reich und verkehrte in der High Society. Doch seine Strategien sind typisch für viele andere Ausbeuter in den USA.

Zuhälter sind Meister der Manipulation

Auch Wendy Barnes geriet als Teenager in die Fänge eines Ausbeuters. Heute lebt sie in einem Vorort von Los Angeles. Die Geschichte jeder Ausbeutung ist anders – doch die Strategie dahinter oft ähnlich wie bei Epstein. «Ausbeuter sind enorm gut im Manipulieren. Herauszufinden, welche Taktik funktioniert, ist für sie zentral - und bei welchem Opfer, denn wir sind nicht alle gleich.» Zuhälter sind oft Meister darin.

Wendy Barnes vor der Küste, im Hintergrund das Meer
Legende: Wendy Barnes' Freund war ihr Zuhälter und Vater ihres Kindes. SRF / Viviane Manz

Bei Wendy Barnes geht es um vorgegaukelte Liebe: Wendy Barnes verliebt sich mit 15 in einen 16-Jährigen. Sie bekommen ein Kind. Wendy Barnes' Freund nutzt ihre Schwächen aus: Eine zerrüttete Familie, sie war bereits sexuell missbraucht worden, in der Schule gemobbt. Er macht sie mit Manipulation, Drohungen und Schuldgefühlen über Jahre zu seiner Prostituierten und schliesslich zu seiner Helferin, nutzt das gemeinsame Kind als Druckmittel. Der Freund wird zum Zuhälter.

Mädchen als Helferinnen

«Der Kopf im Sexring lässt die Jüngeren die dreckige Arbeit machen. Mein Zuhälter sagte mir, fahr los und bring Geld. Da bin ich, eine 25-jährige Frau mit 14-jährigen Mädchen auf dem Rücksitz. Und wir gehen anschaffen.»

Das Schlimmste war für mich, wenn mein Zuhälter die anderen Mädchen schlug, um mich zu bestrafen.
Autor: Wendy Barnes

Heute weiss Barnes: Es ist eine typische Strategie von Zuhältern, um nicht von der Polizei erwischt zu werden – und gleichzeitig Schuldgefühle bei den Opfern zu wecken. «Das Schlimmste war für mich, wenn mein Zuhälter die anderen Mädchen schlug, um mich zu bestrafen.»

Auch in der Nähe von Disneyland ging Wendy Barnes auf den Strich. Sie wurde schliesslich verhaftet und wegen Beihilfe verurteilt. Heute sagt sie, die Festnahme war ihre Rettung. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben. Und sie bildet Angestellte einer Spitalkette darin aus, Opfer von sexueller Ausbeutung zu erkennen.

«Es war eine komplette Gehirnwäsche»

«Opfer schreien nicht um Hilfe, weil die Linien so verschwimmen. Ich dachte manchmal, es war meine Wahl. Es war eine komplette Gehirnwäsche von ihm und wie eine Art Kult», sagt Barnes.

Der Skandal um Epstein habe das Bewusstsein in der Gesellschaft erhöht, wie subtil sexuelle Ausbeutung funktioniere. Doch das Problem sei nach wie vor akut, so Barnes. «Es gibt immer noch viele Netzwerke für sexuelle Ausbeutung. Auf hoher Ebene, auf niedriger Ebene.»

Opfer werden nicht erkannt

Auch Epstein und Maxwell brachten ihre Opfer dazu, neue Mädchen zu rekrutieren, so erzählen es einige ihrer mutmasslichen Opfer, die an die Öffentlichkeit gingen. Schuldgefühle und Drohungen schüchterten die Mädchen ein. Epstein kam zunächst mit einem vorteilhaften Vergleich davon, die Opfer wurden im Rechtsverfahren übergangen. Eine verkehrte Welt von Opfern und Tätern.

Und nach wie vor fehlt das Bewusstsein in der Gesellschaft, bei Polizei und Spitalangestellten, sagt Lauri Burns.

Lauri Burns an der Arbeit
Legende: Lauri Burns wurde als junge Frau selbst sexuell missbraucht. SRF / Viviane Manz

«Die Leute sehen nicht wirklich, was diesem Kind geschehen ist. Sie glauben, dass sie es freiwillig tun.» Lauri Burns sagt, missbrauchte Kinder und junge Frauen, die in die Prostitution gezogen würden, würden oft nicht als Opfer wahrgenommen. Und sie warnt: Heute würden Jugendliche oft über soziale Medien kontaktiert und in sexuelle Ausbeutung hineingezogen.

«Überlebende» statt «Opfer»

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Menschen, die Opfer von sexueller Ausbeutung wurden und dies überwunden haben, versuchen zu heilen und in eine Zukunft zu gehen, in der sie nicht als Opfer definiert sind. Wenn sie immer wieder als Opfer bezeichnet werden, bringt sie das zurück in die frühere Situation. Dabei geht es eigentlich darum, dass sie früher zum Opfer gemacht wurden und dies überlebt haben. Deshalb nennen sie sich Überlebende.

Für Sarah bedeutet das Heim Sicherheit und auch Stärke. «Ich bin zusammen mit all den Frauen, denen Schlimmes passiert ist. Aber sie sind hier, stehen es durch und rappeln sich auf. Das stärkt mich sehr. Dass ich wie sie sein kann.»

Lauri Burns und Sarah wurden durch ihre Peiniger beinahe umgebracht. Heute wollen sie andere vor ihrem Schicksal bewahren.

10 vor 10, 29.11.2021, 21:50 Uhr

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