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Skandal um Andrew Cuomo Gouverneur Cuomos tiefer Fall

Man fragt sich, ob so eine geschickte Verteidigungsstrategie aussieht. In einer Videobotschaft wies der Gouverneur von New York die Vorwürfe der sexuellen Belästigung pauschal von sich. Er sei bekannt dafür, dass er Menschen körperlich nahekomme, sie umarme oder küsse. Das habe ihn seine Mutter gelehrt.

Diese «Italianità» hätten die Frauen, die im Untersuchungsbericht der New Yorker Staatsanwaltschaft gegen ihn aussagen, wohl missverstanden. Dann wandte sich der 63-Jährige mit italienischen Wurzeln an eine der Zeuginnen: «Charlotte», sagte er. «Ich wollte dir helfen, aber ich sehe nun ein, dass ich das Gegenteil damit erreichte.»

Ungewollte Berührungen und verfängliche Gespräche

Charlotte Bennet, eine 25-jährige ehemalige Assistentin von Cuomo, sagte aus, der Gouverneur habe sie in verfängliche Gespräche verwickelt. Er habe sie gefragt, ob sie mit älteren Männern ins Bett gehen würde, ob sie monogam sei und Piercings trage. Dies, nachdem sie ihm anvertraut habe, sie sei sexuell missbraucht worden.

Bennet meldete die mutmasslich verbalen Belästigungen der Bürochefin von Cuomo. Diese versetzte sie, ohne die Beanstandung an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Auch die andern zehn Zeuginnen der Untersuchung berichten von vehementeren Zudringlichkeiten. Es sei zu ungewollten Berührungen an intimen Körperstellen und Küssen gekommen.

Zivilrechtliche Klagen erwartet

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in den USA strafbar, egal ob physisch, verbal oder schriftlich-visuell. Laut der Staatsanwaltschaft in Albany läuft gegen Cuomo ein strafrechtliches Verfahren. Zivilrechtliche Klagen sind primär zu erwarten.

Mit seinem Appell stösst Andrew Cuomo in der Politwelt auf wenig Verständnis. Präsident Joe Biden und alle Abgeordneten des Staats New York verlangen seinen Rücktritt. Ein tiefer Fall für den Gouverneur, der zu Beginn der Coronapandemie zur Kultfigur aufgestiegen war. Damals klebte die Nation an seinen Lippen, weil er ein faktenorientiertes Krisenmanagement verfolgte.

Parteifreunde drohen mit Amtsenthebungsverfahren

Seine eigene politische Krise scheint Cuomo weniger effizient zu meistern. Mit dem Glauben, es reiche, sich auf wandelnde Sensibilitäten berufen zu können, auf «Generation» und «Kultur», könnte er sich verschätzt haben.

Die Parteifreunde laufen ihm gerade davon. Falls Cuomo nicht freiwillig zurücktritt, drohen ihm die Demokraten und Demokratinnen in New York mit einem Amtsenthebungsverfahren.

Isabelle Jacobi

USA-Korrespondentin, SRF

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Nach dem Studium in den USA und in Bern arbeitete Jacobi von 1999 bis 2005 bei Radio SRF. Danach war sie in New York als freie Journalistin tätig. 2008 kehrte sie zu SRF zurück, als Produzentin beim Echo der Zeit, und wurde 2012 Redaktionsleiterin. Seit Sommer 2017 ist Jacobi USA-Korrespondentin in Washington.

Heute Morgen, 04.08.2021, 06:00 Uhr

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