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Skandal um Nestlé-Wasser Untersuchung: Vorwurf der «Vertuschung» gegen französischen Staat

Nestlé und sein Mineralwasser – ein Geschäft, das seit längerem für Negativschlagzeilen sorgt. Nun erheben die Verfasser eines Untersuchungsberichts schwere Vorwürfe gegen den Staat.

Das ist passiert: Nestlé steht in Frankreich wegen des Einsatzes von verbotenen Filtersystemen in der Kritik. In diesem Skandal um die illegale Behandlung von Mineralwasser werden in einem Bericht des französischen Senats schwere Vorwürfe gegen den Staat erhoben: Es habe eine gezielte «Vertuschung» gegeben, um unzulässige Praktiken des Lebensmittelriesen Nestlé zu decken, schreiben die Verfasserinnen und Verfasser.

Der Skandal um das Nestlé-Mineralwasser

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Nestlé gehören etwa die französischen Marken Perrier, Vittel oder Contrex. Brisant an der Geschichte ist, dass das Label «Natürliches Mineralwasser» nur dann vergeben werden darf, wenn das Wasser direkt von der Quelle in Flaschen abgefüllt wird. Jegliche Bearbeitung des Wassers durch Filtersysteme ist verboten. Erst vor zwei Wochen wurde bekannt, dass Nestlé bei der Mineralwasserquelle Perrier in Südfrankreich das Filtersystem entfernen muss. Die Behörden prüfen zurzeit, ob sie die Nutzungsbewilligung für Nestlé erneuern werden.

Diese Filtersysteme sind gemäss Nesté notwendig, um die Lebensmittelsicherheit des Wassers zu gewährleisten. Etwa weil Rückstände aus der Landwirtschaft in die Quellen gelangen könnten, wie beispielsweise Pestizide.

Die Kritik: Im Bericht wird zum einen die Intransparenz von Nestlé kritisiert. «Es lief schlecht», sagte Kommissionsberichterstatter Alexandre Ouizille zu den Anhörungen der Firmenspitze gegenüber Medien. Er sprach vom «Verweigern von Antworten» seitens der Unternehmensführung. Zum anderen kritisieren die Verfasser auch das Verhalten des Staates gegenüber Behörden und Öffentlichkeit. Fast vier Jahre nach den ersten Enthüllungen gebe es noch immer keine vollständige Aufklärung. Der Ausschuss wurde im November 2024 eingesetzt, nachdem Recherchen mehrerer Medien illegale Wasserbehandlungen aufgedeckt hatten.

Seit Jahren keine juristischen Konsequenzen

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Nestlé räumte während der Untersuchung ein, Ende 2020 festgestellt zu haben, dass an den Standorten von Perrier, Hépar und Contrex verbotene Verfahren eingesetzt worden seien. Mitte 2021 wandte sich das Unternehmen an die Regierung und den Präsidenten. 18 Monate später genehmigten die Behörden einen Plan, bei dem die verbotenen Methoden durch eine umstrittene Mikrofiltration ersetzt wurden. Diese kann laut Expertinnen und Experten jedoch die Eigenschaften natürlichen Mineralwassers verändern – was laut EU-Recht nicht zulässig ist. Trotz des offensichtlichen Betrugs von Konsumentinnen und Konsumenten sei es nicht zu juristischen Konsequenzen gekommen, so der Bericht.

Kritik auch an Machtverhältnis zwischen Staat und Industrie: Nestlé habe die Genehmigung der Mikrofiltration zur Bedingung für das Ende illegaler Praktiken gemacht – letztlich habe der Staat auf höchster Ebene zugestimmt, so steht es im Bericht. Demnach war der Elysée-Palast eng in den Fall eingebunden und bereits seit 2022 über die unzulässigen Methoden informiert. Alexis Kohler, Generalsekretär des Präsidenten, empfing Nestlé-Vertreter persönlich. Präsident Emmanuel Macron wies im Februar jegliche Kenntnis von sich. Nestlé konnte das Wasser weiter unter der profitablen Bezeichnung «Natürliches Mineralwasser» vermarkten.

Nestlé-Logo mit Vogel und Nest auf blauem Hintergrund.
Legende: Nestlé steht in Frankreich wegen des Einsatzes von verbotenen Filtersystemen in der Kritik. Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Fehlende Kontrolle: Bis heute fehle eine flächendeckende Kontrolle an allen Produktionsstandorten, so der Bericht. Von insgesamt 28 Empfehlungen hebt die Kommission insbesondere die bessere Kontrolle der Wasserentnahmen, eine umfassende Qualitätsüberwachung der Grundwasservorkommen und eine verbesserte Kennzeichnung hervor.

Perrier unter Beobachtung

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Aktuell steht die Marke Perrier unter Beobachtung. Die Genehmigung zur Nutzung der Quelle als «Natürliches Mineralwasser» steht infrage. Von staatlich beauftragten Hydrogeologen kam bereits ein negatives Urteil. Die zuständige Präfektur will bis zum 7. August entscheiden und forderte Nestlé auf, die Mikrofiltration binnen zwei Monaten zu stoppen. «Die Frage ist nun, ob der Bericht einen Einfluss auf diesen Entscheid haben wird», sagt Frankreich-Korrespondentin Zoe Geissler.

Nestlé-CEO äusserte Bedauern: Im März musste sich Nestlé-CEO Laurent Freixe vor dem Senat rechtfertigen. Er äusserte vor dem Ausschuss sein Bedauern. «Im Namen des Nestlé-Konzerns möchte ich nochmals mein tiefstes Bedauern über diese Situation in der Vergangenheit zum Ausdruck bringen, die nicht im Einklang mit den Werten unseres Konzerns stand», sagte er. Nestlé Waters habe alles getan, um den beanstandeten Praktiken ein Ende zu setzen.

Mann mit Brille und Mikrofon in Anzug spricht.
Legende: Nestlé-CEO Laurent Freixe an der Jahreshauptversammlung von Nestlé in Ecublens bei Lausanne (16.4.2025) Reuters / Pierre Albouy

Die Konsequenzen: Dieser Bericht wirft kein gutes Licht auf die Behörden und auch auf das Unternehmen, sagt die SRF-Korrespondentin in Frankreich, Zoe Geissler. «Es wird interessant zu sehen sein, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert und ob nun vielleicht weniger Wasser von Nestlé gekauft wird.» Zudem hat die Kommission nun auch Forderungen: Alle Mineralwasserstandorte in Frankreich sollen besser kontrolliert und die Mineralwässer besser gekennzeichnet werden.

Wirtschaftliche Faktoren als möglichen Grund für Beeinflussung

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Warum sich die Behörden überhaupt beeinflussen liessen, bleibt laut Geissler die grosse Frage. «Es könnte mit wirtschaftlichen Faktoren zu tun haben. Der französische Markt für Mineralwasser umfasst rund 100 Standorte und mehr als 10'000 Arbeitsplätze. Auch Nestlé hat in Frankreich mehrere Standorte und Marken. Die Gemeinden, in denen sich die Fabriken befinden, sind abhängig vom Unternehmen. Nestlé zahlt nämlich als Mineralwasserhersteller den Gemeinden eine Gebühr für die Wasserbohrungen. Das heisst, die Gemeinden profitieren auch davon, dass Wasser dort hergestellt wird, in einer Region, die relativ arm ist.»

Rendez-vous, 19.5.2025, 12:30 Uhr ; 

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