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Solidarität mit Marine Le Pen Tausende protestieren in Paris gegen ein Wahlverbot von Le Pen

Ein französisches Gericht hat am Montag die Rechtsaussenpolitikerin Marine Le Pen wegen Veruntreuung schuldig gesprochen. Sie darf fünf Jahre lang nicht bei Wahlen kandidieren. Diese Politiksperre sorgt für heftige Debatten. Anhänger und Anhängerinnen des Rassemblement National (RN) von Le Pen haben am Sonntagnachmittag in Paris dagegen protestiert. SRF-Frankreich-Korrespondentin Zoe Geissler war vor Ort.

Zoe Geissler

SRF-Frankreich-Korrespondentin

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Zoe Geissler berichtet für Radio SRF aus Paris über das Geschehen in Frankreich. Zuvor war sie Auslandredaktorin und Produzentin bei Radio SRF 4 News. Zoe Geissler hat Internationale Beziehungen, Politikwissenschaften und Gender-Studies an den Universitäten Zürich und St. Gallen (HSG) studiert.

Wie hat sich Marine Le Pen an der Kundgebung präsentiert?

Le Pen gab sich bei ihrem Auftritt kämpferisch, aber ihr Diskurs hat sich nicht wirklich gegenüber dem verändert, was sie diese Woche schon zum Urteil gesagt hatte. Sie hat erneut gesagt, sie sei ein Opfer der Justiz und das Urteil ein Angriff auf den Volkswillen. Jedoch hat sie auch betont, dass sie nicht alle Richter in einen Topf werfe. Es seien einfach einige, die parteiisch seien. Während ihrer Rede sagte sie abermals, dass sie nicht aufgeben werde. Sie möchte bei den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten. Das bedeutet aber derzeit auch, dass die Partei keinen Plan B – zumindest öffentlich – ansprechen möchte.
                

Wie viele Menschen sind dem Protestaufruf des Rassemblement National gefolgt?

Der Place Vauban hat sich erst zu Beginn der Versammlung um 15 Uhr gefüllt – aber nicht vollständig. Es waren eher weniger als 10'000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, wie die Partei erwartet hat. Ganz allgemein war ein Querschnitt der Gesellschaft vor Ort. Es waren einerseits Menschen aus Paris, die zur Unterstützung von Le Pen gekommen sind. Dies waren eher Leute aus besseren Verhältnissen. Aber es kamen auch Menschen von ausserhalb, eher ländlichen Gegenden. Das Rassemblement National hat Busse für sie organisiert, damit sie teilnehmen konnten. Was auffällig war: Es kamen sehr viele junge Menschen.

Wie interpretieren die Menschen an der Kundgebung das Urteil gegen Le Pen?

Im Gespräch war eine gewisse Wut und auch eine Enttäuschung der Menschen bemerkbar. Es war eine Wut auf dieses Urteil vom vergangenen Montag. Einige meinten, das Urteil wäre komplett falsch. Die Gerichte seien wirklich parteiisch und würden lügen, wenn sie sagen, dass Marine Le Pen schuldig sei. Andere hingegen – das waren aber weniger – fanden es zwar in Ordnung, dass es ein Urteil gab. Nicht verhältnismässig fanden sie es, dass Le Pen per sofort das passive Wahlrecht entzogen wurde und sie darum möglicherweise bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht antreten dürfe. Konsens bestand auf dem Platz Vauban darin, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieses Urteil als Gefahr für die Demokratie sehen: Einerseits, weil aus ihrer Sicht ein Gericht demokratische Prozesse wie Wahlen mit valablen Kandidierenden verhindern würde. Andererseits, weil man so den Millionen Wählern und Wählerinnen des Rassemblement National die Wahl wegnehmen würde.

Wie steht der Rest der französischen Bevölkerung zum Urteil gegen Le Pen?

Laut Umfragen finden rund 60 Prozent der Franzosen und Französinnen das Urteil grundsätzlich als gerechtfertigt. Aber nur rund die Hälfte von ihnen sieht die Strafe gegen Le Pen als verhältnismässig. Die Meinungen sind gespalten. Vor allem linke Wähler sehen das Urteil als gerechtfertigt, während das die rechte Seite anders sieht. Dementsprechend hat ein Teil der linken Parteien zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Dieses Urteil gegen Marine Le Pen bewegt die Menschen in Frankreich und es prägt derzeit den Diskurs.

Diskussionen um das Urteil von Marine Le Pen

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Marine Le Pen wurde am vergangenen Montag wegen Veruntreuung von EU-Geldern zu vier Jahren Haft, davon zwei auf Bewährung und zwei in Form einer Fussfessel verurteilt, sowie zu einer Geldstrafe von 100'000 Euro. Der seither am meisten diskutierte Teil der Strafe gegen Le Pen war jedoch, dass das Aushängeschild des Rassemblement National ab sofort für fünf Jahre nicht mehr bei Wahlen antreten darf. Bleibt es dabei – und hier kommt es auf den Entscheid des Pariser Berufungsgerichts an, das bis im Sommer 2026 entscheiden will – könnte die in Umfragen deutlich führende Politikerin nicht bei den Präsidentschaftswahlen 2027 antreten.

Die sofortige Aberkennung der Wählbarkeit war eine bewusste Entscheidung der Richter, denn sie hätten auch darauf verzichten können. Entsprechend ausführlich wurde der Entscheid begründet: So sei sie bis zuletzt uneinsichtig geblieben und hätte die Vorwürfe – trotz der vielen Beweise -bestritten. Daher könnte die Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden.

Für Marine Le Pen ist das Urteil ein schwerer Rückschlag, weshalb sie es seither immer wieder als politische Entscheidung anprangert. Eine Aussage, die bei vielen von ihren Anhängern verfängt. Doch, dass französische Politiker und Politikerinnen wegen Korruption und Untreue vorübergehend von der Wählbarkeit ausgeschlossen werden, ist in Frankreich eine gängige Strafe, und Marine Le Pen selbst forderte vor einigen Jahren ein hartes Vorgehen gegen korrupte Politiker und Politikerinnen.

Rémy Heitz, Generalstaatsanwalt am Kassationsgericht wies ihren Vorwurf im Fernsehsender RTL zurück: «Es ist keine politische Entscheidung, sondern eine juristische, die von drei unabhängigen Richtern getroffen wurde.»

Die Härte des Urteils ist aufgrund der Popularität von Marine Le Pen dennoch brisant und sorgt derzeit in Frankreich für kontroverse Debatten.

Echo der Zeit, 6.4.2025, 18:00 Uhr ; 

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