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Spanischer Premier in Afrika Sánchez: «Migration ist kein Problem, sondern eine Notwendigkeit»

Der spanische Premier will die irreguläre Migration nach Spanien eindämmen. In Westafrika schlägt er ungewohnte Töne an.

Dieses Jahr sind bereits 22'000 Bootsmigranten auf den Kanarischen Inseln angekommen – doppelt so viele wie in der Vorjahresperiode. Italien verzeichnet zwar ähnlich viele Ankömmlinge. Die Zahlen sind aber im Vergleich zum Vorjahr um 65 Prozent zurückgegangen.

Die EU setzt bei der Migration auf Abkommen mit Ländern des südlichen Mittelmeers. Die Regierung in Rom zieht die Schraube eigenhändig an: Zuletzt unterzeichnete Regierungschefin Giorgia Meloni ein umstrittenes Flüchtlingsabkommen mit Albanien.

Aus Seenot gerettete Migranten in El Hierro.
Legende: Experten zufolge haben sich die Migrationsströme verlagert. Schlepper suchen nach anderen Routen, um Menschen nach Europa zu bringen: weniger nach Italien, dafür mehr nach Spanien. Bild: Aus Seenot gerettete Migranten auf den Kanaren. Keystone/EPA/GELMERT FINOL

Während Rom feiert, ist Madrid in Wallung. Denn die Aufnahmekapazitäten auf den Kanaren sind erschöpft. «Gerade auf der kleinen Insel El Hierro, wo die meisten Menschen anlanden, ist die Lage schwierig», sagt Beat Vogt, Auslandredaktor von SRF.

Spanischer Premier reist nach Afrika

Nun befindet sich der spanische Regierungschef Pedro Sánchez auf einer dreitägigen Afrikareise, um die Situation zu entschärfen. Am Mittwoch war er in Gambia und Mauretanien, aktuell ist er in Senegal. Das Ziel des Sozialisten: Er will Abkommen mit den westafrikanischen Ländern schliessen, um die häufig tödliche Bootsmigration einzudämmen.

«Dabei schlägt der spanische Premier aber andere Töne an, als man sie sich sonst in Europa gewohnt ist», sagt der Iberien-Experte. So legt Sánchez den Fokus nicht darauf, die Grenzen besser zu sichern.

Stattdessen betont er, dass man Wege für die legale Migration nach Spanien finden müsse. «Migration ist kein Problem, sondern eine Notwendigkeit», sagte Sánchez in Mauretanien. Um den Wohlfahrtsstaat aufrechterhalten zu können, sei sein Land auf Migration angewiesen.

Migration bedeutet Reichtum, Entwicklung und Wohlstand für Spanien.
Autor: Pedro Sánchez Spanischer Premierminister

Denn der Beitrag der afrikanischen Migrantinnen und Migranten für die spanische Wirtschaft sei fundamental: «Migration bedeutet Reichtum, Entwicklung und Wohlstand für unser Land.» Sánchez kündigte denn auch ein Visa-Programm an, mit dem mauretanische Staatsangehörige geregelt und zeitlich begrenzt nach Spanien einwandern könnten, um dort zu arbeiten.

Tausende unbegleitete Minderjährige

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Die Atlantikroute zu den Kanarischen Inseln gilt als äusserst gefährlich. Erst vor wenigen Wochen kenterte ein Boot mit 300 Geflüchteten vor der Küste Mauretaniens. Mehr als ein Dutzend Menschen starben – über 150 werden noch vermisst.

Unter den Migrantinnen und Migranten, die auf den Kanaren anlanden, befinden sich auch tausende Menschen aus Mali. Sie flüchten vor der Gewalt und Instabilität in der Sahelzone. Dazu kommen viele junge Menschen aus westafrikanischen Ländern, die in Europa auf eine bessere Zukunft hoffen.

Gegen 6000 unbegleitete Minderjährige leben inzwischen auf den Kanarischen Inseln. Ihre Situation ist besonders prekär. Auch, weil sich Regierung und Opposition in Madrid nicht darauf einigen können, wie die Flüchtlinge und Migranten im restlichen Spanien verteilt werden sollen.

Um die legale Einwanderung aus Afrika zu ermöglichen, propagiert Sánchez ein Modell der «zirkulären Migration». «Dabei sollen Arbeitskräfte in ihren Herkunftsländern ausgebildet werden, dann in Spanien arbeiten und anschliessend wieder zurückkehren», erklärt Vogt.

Ein beispielhaftes Projekt richtet sich an marokkanische Frauen, die als Erntehelferinnen in Spanien arbeiten: Ihnen werden neben der Arbeit einfache ökonomische Grundsätze vermittelt. So soll ihnen das Rüstzeug mitgegeben werden, um nach der Rückkehr in die Heimat finanziell unabhängig leben zu können. Etwa, indem sie einen Kleinbetrieb in der Gastronomie oder der Landwirtschaft führen. Finanziert wird das Projekt «Wafira» von der EU.

Opposition ist brüskiert

Vogt spricht von einem Erfolgsmodell. «Ob es auch bei Menschen aus anderen afrikanischen Staaten funktioniert, kann man aber infrage stellen.» Für diejenigen, die vor kriegerischen Auseinandersetzungen flüchten, sei es etwa kaum geeignet. Schliesslich könnten sie nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren.

Von der Opposition wird Sánchez derweil heftig kritisiert. Der Tenor: Anstatt nach Afrika zu reisen, um die Schlepperbanden zu bekämpfen, mache er Werbung für Spanien. «Dabei muss man aber betonen, dass Sánchez’ Abkommen auch die Rückführung illegal eingereister Migranten und die Bekämpfung der Schlepperkriminalität vorsehen», schliesst Vogt.

Rendez-vous, 29.08.2024, 12:30 Uhr ; 

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