Der Nasa steht wegen der Sparprogramme der US-Regierung ein massiver Personalabbau bevor. Knapp 4000 Mitarbeitende müssten bis im Januar gehen, heisst es von der US-Raumfahrtbehörde. Das sei fast jede fünfte Stelle und für die Wissenschaft verheerend, wie Raumfahrtexperte Thomas Zurbuchen betont.
SRF News: Wie schlimm ist dieser Stellenabbau für die Nasa?
Thomas Zurbuchen: Man kann sich gut vorstellen, warum es Sinn ergibt, die Nasa zu verkleinern. Tatsache ist, dass heute in der Industrie viel mehr gemacht wird als früher und deshalb weniger Leute gebraucht werden. Doch die Art und Weise, wie Stellen abgebaut werden, ist nicht sinnvoll. Man riskiert, dass ausgerechnet die besten Leute weggehen.
Die Sparmassnahmen bei der Nasa könnten somit einen «Brain Drain» zur Folge haben – dass also viele Leute mit viel Wissen und Erfahrung gehen?
Genau. Das ist das Problem, wenn man sagt, wir wollen die Nasa so schnell wie möglich kleiner machen. Jüngere Menschen mit innovativen Ideen, die in einer wachsenden Industrie gute Möglichkeiten haben, gehen zuerst. Und ältere Leute, die weniger Perspektiven haben, gehen viel später.
Am meisten Sorgen machen mir die Kürzungen beim wissenschaftlichen Programm der Nasa. Es ist für andere Teile der Regierung wichtig.
Wie gross ist das Problem für die Nasa, das durch diesen «Brain Drain» entsteht?
Es braucht wahrscheinlich etwa zehn Jahre, um die Nasa wieder so gut zu machen, wie sie einst war. Tatsache ist, dass die besten Leute nicht aus der Branche verschwinden, sondern in andere Firmen wechseln, die dadurch besser werden. Die Verteilung zwischen der staatlichen Arbeit in der Nasa und den privaten Firmen wird sich zur privaten Seite hin verschieben.
In welchen Bereichen sind die Kürzungen am meisten spürbar?
Am meisten Sorgen machen mir die Kürzungen beim wissenschaftlichen Programm der Nasa. Es ist innovativ und wichtig, auch für Programme in anderen Teilen der Regierung, die zum Beispiel die Erde beobachten, für Anwendungen der Abwehr oder im Militär. Diese Dinge, beispielsweise Innovationen für neue Sensoren und Satellitensysteme, sind meiner Ansicht nach am meisten gefährdet.
Die Nasa scheint mehr auf Prestigeprojekte zu setzen und in der Forschung zu sparen. Teilen Sie diesen Eindruck?
Ja, das ist ebenfalls ein Problem. Was man nicht vergessen darf: Die einzigen Menschen, die heute bei der Nasa arbeiten und auf einem planetaren Körper gelandet sind, zum Beispiel auf dem Mond, sind im wissenschaftlichen Bereich tätig. Dass Leute weggehen, hat Einfluss auf das Mars- oder das Mondprogramm. So haben etwa viele, die mit Astronautinnen und Astronauten arbeiten, keine praktische Erfahrung mehr, um auf anderen Planeten zu landen.
Das wird unglaubliche negative Konsequenzen haben für die Sicherheit der westlichen Welt.
Fachleute warnen, dass mit dem Abbau die Sicherheitsrisiken steigen könnten. Die Nasa sagt, Sicherheit habe oberste Priorität. Wie schätzen Sie das ein?
Die Nasa und die zivilen Programme waren über Jahrzehnte wichtig für die Verteidigungsfähigkeit des Landes und für neue Technologien, die gebraucht werden in Sicherheitsfragen. Ich bin sicher, dass dieser Abbau insbesondere im wissenschaftlichen Bereich unglaubliche negative Konsequenzen hat für die Sicherheit der westlichen Welt.
Welche Folgen hat der massive Abbau für die Weltraumforschung und die Raumfahrt in Europa und darüber hinaus?
Es kommt darauf an, was Europa daraus macht. Es gibt auch Chancen. Europa hat ebenfalls Industrie und Wissenschaftlerinnen, die gut sind. Meine Hoffnung ist, dass wir als Menschheit diesen Abbau bei der Nasa mit Wachstum und Innovation anderswo füllen. Darauf sollten wir uns in der Schweiz und in Europa konzentrieren.
Das Gespräch führte Nicolas Malzacher.