Wie ist die aktuelle Coronalage in Japan? Das medizinische System der Grossstadt Osaka steht schon seit Wochen immer wieder kurz vor dem Zusammenbruch. Für Covid-Patienten fehlt es oftmals an Betten, auch an Intensivbetten. Viele andere Notfallpatienten müssen abgewiesen werden. In der Hauptstadt Tokio dagegen sind die Krankenhäuser, was die Plätze für Covid-Erkrankte angeht, erst zu 38 Prozent gefüllt.
Weshalb ist die Lage in einem der reichsten Länder der Welt so kritisch? Japan hat eine gute staatliche Krankenversicherung und je Einwohner gerechnet die meisten Krankenhausbetten von allen grossen Ländern weltweit. Die Zahl der täglich mit Covid Neuinfizierten ist im internationalen Vergleich niedrig. Aber: Vier Fünftel der Krankenhäuser sind privat. «Diese wollen entweder keine Covidkranken haben, weil sie den übrigen Betrieb stören oder sie sind darauf nicht vorbereitet – haben etwa keine Intensivstationen», sagt Martin Fritz, freier Journalist in Japan. Alle Fälle konzentrieren sich also auf die wenigen öffentlichen Krankenhäuser, die aber nur relativ wenig Intensivbetten, Personal und Geräte dafür haben.
Welche Massnahmen werden jetzt ergriffen? Die Regierung hat im April erneut den staatlichen Notstand verhängt, der schon von Januar bis März galt. Bars und Restaurants müssen um 20 Uhr schliessen und dürfen keinen Alkohol ausschenken. Gemäss Fritz arbeiten vielleicht ein Fünftel bis ein Sechstel der Japaner im Homeoffice. Allerdings komme die Impfkampagne erst jetzt so richtig in Fahrt. Immerhin: Die Japanerinnen und Japaner trügen sehr konsequent Gesichtsmasken.
Warum ist die Impfkampagne in Japan verzögert? Ein Grund sei, dass die japanische Regierung mit früheren Impfstoffen gegen andere Krankheiten schlechte Erfahrungen gemacht habe. Entsprechend vorsichtig seien die Behörden bei der Zulassung von Impfstoffen gegen Covid, sagt der Journalist. Auch sei man mit der Organisation der Impfungen überfordert, weil das vor allem Aufgabe der lokalen Gemeinden ist.
Wie wirkt sich die Coronasituation auf die Austragung der Olympischen Spiele aus? Laut den jüngsten Umfragen ist die Mehrheit der Japanerinnen und Japaner gegen die Spiele. Rund 80'000 Menschen – Athleten, Betreuerinnen, Funktionäre – aus aller Welt würden einreisen und könnten Viren mitbringen. «Die Japaner wollen nicht, dass die knappen medizinischen Ressourcen von Olympia genutzt werden», sagt Fritz. Zwar hat das Internationale Olympische Komitee angeboten, eigenes medizinisches Personal mitzubringen. Aber wenn jemand an Covid erkrankt, muss er oder sie trotzdem in ein japanisches Krankenhaus.
Wie entwickelt sich die Lage weiter? In den letzten Tagen sind die Infektionszahlen rückläufig. Zieht man die sieben-Tage-Durchschnittskurve zurate, scheint der Höhepunkt überschritten. «Dennoch geht man hier davon aus, dass der Notstand, der eigentlich nur bis zum Wochenende läuft, um weitere drei Wochen verlängert wird», sagt Fritz. Er würde somit erst vier Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele enden. Nach einer schnellen Besserung sehe es nicht aus. Das zeigt auch die Reisewarnung der USA: Erstmals hat die Regierung in Washington alle US-Bürgerinnen ausdrücklich davor gewarnt, wegen der Covid-Gefahr nach Japan zu reisen.