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Staatsanwaltschaft in Russland 22 Jahre Straflager für russischen Journalisten

  • In einem umstrittenen Spionageprozess hat ein Gericht in Moskau den früheren russischen Journalisten Iwan Safronow wegen Hochverrats zu 22 Jahren Haft in einem Straflager verurteilt.
  • Nach Angaben der Ermittler hat der 32-Jährige vertrauliche Informationen über Waffendeals und Einsätze der russischen Streitkräfte in Afrika und im Nahen Osten an ausländische Geheimdienste weitergegeben.
  • Safronows Anwalt wies die Vorwürfe zum Prozessauftakt am Montag zurück und erklärte, der Journalist habe lediglich öffentlich zugängliche Quellen verwendet.
Eine Tastatur mit dem Symbol «Whistleblower» drauf.
Legende: Das Urteil gegen Iwan Safronow löste unter Journalisten und Menschenrechtlern Entsetzen aus. Keystone

Die Staatsanwaltschaft hatte 24 Jahre Straflager beantragt, nachdem Safronow ein Angebot abgelehnt hatte, seine Schuld einzugestehen, um eine mildere Strafe von zwölf Jahren Haft zu erhalten. Zuvor hatte auch der Kreml mitgeteilt, die Vorwürfe gegen Safronow seien ernst.

Wer ist Iwan Safronow?

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Iwan Safronow war lange Journalist. In seiner journalistischen Arbeit hat er einen starken Fokus auf die Rüstungsindustrie gelegt. Er hat seinen Job verloren, weil er zu kritisch über dieses Thema berichtet hat. Er gilt als sehr hartnäckig und sehr talentiert. Danach ist er bei der russischen Raumfahrtbehörde Roskomos untergekommen. Dort hat er als Berater gearbeitet. Dann wurde er festgenommen und seit etwa zwei Jahren sitzt er in Einzelhaft.

In Russland gibt es eine grosse Solidarität mit Safronow, sagt der SRF-Russlandexperte David Nauer: «Im öffentlichen Bewusstsein ist er immer noch dieser herausragende Journalist. Und die Zeitung, für die er einst gearbeitet hat, hat einen Text veröffentlicht zu Safronow. In diesem verteidigt sie ihn. Obschon sie inzwischen auf Kreml-Linie ist. Das ist sehr bemerkenswert.»

Safronows Anwalt wies die Vorwürfe zum Prozessauftakt zurück und erklärte, der Journalist habe lediglich öffentlich zugängliche Quellen verwendet. Safronow war vor mehr als zwei Jahren festgenommen worden und sitzt seitdem in Haft. Der Prozess lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Beweise gegen Safronow gibt es keine. Über den Grund des Urteils kann nur gemutmasst werden. «Womöglich hat Safronow mit seinen Texten mächtige Leute aus dem Sicherheitsapparat verärgert», erklärt David Nauer. Er war langjähriger SRF-Russlandkorrespondent. «Die hätten ihn dann bestellt, wie man in Russland sagt. Das heisst, sie haben dem Geheimdienst den Auftrag gegeben, ihn mit einem fingierten Verfahren aus dem Weg zu räumen.»

«Spionomanie» im russischen Sicherheitsapparat

Da mache der russische Geheimdienst noch so gerne mit. Denn russischen Sicherheitsapparat herrsche ein Klima, das man als «Spionomanie» beschreiben könnte. «Der Sicherheitsapparat sieht überall Spione. Und da empfiehlt sich natürlich ein Ermittler des Inlandsgeheimdienstes noch so gerne als wackerer Kämpfer für die nationale Sicherheit und buchtet eben jemanden wie Safronow ein.»

Auch eine Rolle hat laut Nauer sicher gespielt, dass Safronow ein sehr untypischer angeklagter Gefangener ist. «Er hat sich nämlich nicht brechen lassen.» Er wurde in Untersuchungshaft einem ungeheuren Druck ausgesetzt. Doch er hat gesagt: «Ich gestehe nicht, weil ich nichts getan habe.» Und er hat einen Artikel über die Repression aus dem Gefängnis geschrieben. «Da spielt sicher auch Rache eine Rolle. Der Apparat rächt sich an jemanden, der sich nicht brechen liess», so Nauer.

Ein reiner Schauprozess?

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Für David Nauer ist der Prozess gegen Iwan Safronow klar ein Schauprozess. «Weil wir es hier mit einem entfesselten Repressionsapparat zu tun haben, der immer neue Opfer sucht, egal ob jemand schuldig ist oder nicht. Und zwar, weil es eben auch politisch opportun ist. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen. Und zwar einerseits an die wenigen verbleibenden unabhängigen Journalisten in Russland. Die sollen nicht über heisse Themen schreiben. Das ist das Signal. Wer über heisse, heikle Themen schreibt, der riskiert, 22 Jahre hinter Gitter zu wandern.»

Und es sei auch eine Warnung an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, an Leute aus dem Staatsapparat: «‹Passt auf, mit wem ihr redet. Und redet, schon gar nicht mit Ausländern.› Plötzlich kommt der Geheimdienst und sagt, XY-Ausländer ist ein Spion. Und dann sitzt man bald mal Jahrzehnte im Knast. Es ist laut meiner Deutung ein Schauprozess, der Angst und Schrecken verbreiten soll.»

SRF 4 News, 06.09.2022, 08:40 Uhr ; 

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