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Staatsgast aus dem Iran Behutsamer Reformer mit wachsenden Problemen

Die Trump-Regierung hat seine Vision zerstört und die Hardliner im Iran gestärkt. Präsident Rohani ist unter Druck.

Irans Staatspräsident Hassan Rohani weilt zu einem zweitägigen Staatsbesuch in der Schweiz. Der Anlass findet unter weltpolitisch schwierigen Bedingungen statt. In Bern hingegen bezeichnet man die Beziehungen mit Iran als gut und will sie nach Möglichkeit weiterentwickeln. Rohani wird die Freundlichkeit schätzen, denn ihm bläst nicht nur international, sondern auch zu Hause ein frostiger Wind ins Gesicht.

Philipp Scholkmann

Auslandredaktor

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Auslandredaktor Philipp Scholkmann war langjähriger Nahost-Korrespondent von Radio SRF. Vor seiner Tätigkeit im Nahen Osten war er Korrespondent in Paris und Moderator beim «Echo der Zeit».

«Nieder mit Rohani, Tod dem Präsidenten», skandiert die Menge. Es sind Videoclips von den jüngsten Protesten in einer Provinz im Südwesten Irans, die am Wochenende auf den Internetplattformen zirkulierten. Dass die Proteste stattgefunden haben, ist verbürgt. Die Staatsmedien selbst räumten es ein.

Auslöser waren diesmal eine sommerliche Dürre und die Misswirtschaft der lokalen Behörden. Sie haben zu dramatischem Mangel an Trinkwasser geführt, bei Temperaturen über 40 Grad. Unklar aber ist das Ausmass der Proteste, ebenso, wer sie initiierte. Der Gouverneur der Provinz sprach von Provokateuren, in Regimekreisen war von Feinden Irans die Rede.

Trump ist nicht das einzige Problem

Allerdings kursiert auch die These, dass Teile der politischen Elite des Landes selbst ihre Hände mit im Spiel gehabt haben könnten. Rohanis Gegner werden offenbar zahlreicher. Die Hardliner wittern Morgenluft, seit Donald Trump in Washington das Atomabkommen einseitig gekündigt hat.

Aber die Wut lässt sich wohl nicht mehr so einfach kanalisieren. Korruption, Vetternwirtschaft, dass sich die Systemeliten bedienen, während das Volk kein sauberes Trinkwasser habe. Diese Vorwürfe, richten sich nicht nur gegen den Reformflügel, sondern gegen das gesamte System, warnen manche Beobachter. Wenn die politischen Gegner von Präsident Rohani also tatsächlich den Protest anstiessen, sei das ein riskantes Spiel, es könnte bald auf sie zurückschlagen.

Ein Reformer aus dem Innersten des Apparats

Der Sohn eines Gewürzhändlers aus der Provinz verkörperte vor kurzem noch die vielschichtigen Hoffnungen auf Aufbruch. Rohani hat eine Ausbildung als islamischer Rechtsgelehrter, im mittleren Rang, eine Stufe unterhalb des Ajatollahs.

Dass er ein Geistlicher ist, dürfte allerdings nicht den Ausschlag gegeben haben für seine Wahl zum Staatspräsidenten. Entscheidend war sein Versprechen, die islamische Republik behutsam zu öffnen. Politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich.

Unter dem Hardliner Mahmud Ahmadinedschad, Rohanis Vorgänger, litt Iran zum letzten Mal unter drakonischen internationalen Sanktionen. Die Wirtschaft fiel in eine tiefe Rezession. Rohani schaffte es, die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Er öffnete das Kabinett, nahm Minister unterschiedlicher Strömungen auf. Ein Reformer freilich aus dem Innersten des Apparats.

Ein schwerer Rückschlag

Rohani ist seit langem im Expertenrat, dem Gremium, das den Revolutionsführer wählt, die höchste Autorität in der Islamischen Republik. Er leitet auch den nationalen Sicherheitsrat. Letztes Jahr schaffte Rohani die Wiederwahl als Staatspräsident abermals mit dem Versprechen des Aufbruchs.

Den entscheidenden Schub dazu sollte das internationale Atomabkommen bringen, die ausländischen Investitionen, die bald ins Land flössen, wenn die internationalen Sanktionen fielen. Rohani verband sein ganzes politisches Prestige mit diesem Abkommen, das Trump im Mai in der Luft zerriss.

Eine historische Lektion

Rohani sprach damals von einer historischen Lektion: Iran halte seine Versprechen, Amerika breche sie. Das Wirtschaftswachstum aber werde weitergehen, beteuerte der iranische Staatspräsident damals. Die Arbeitslosigkeit, besonders jene der Jugend, war schon gross vor dem Bruch des Abkommens, die Perspektivlosigkeit auch. Sie sind weitergewachsen.

Die iranische Währung hat seit Ende letzten Jahres die Hälfte ihres Wertes verloren. Die europäischen Staaten versprechen zwar, vom Atomabkommen zu retten, was zu retten ist. Aber Trump macht keinen Hehl daraus, dass er alle Hebel nutzen wird um das möglichst zu verhindern.

Eine weitere Prüfung

Vor einer Woche schlossen hunderte Bazar-Händler in Teheran ihre Shops. Sie galten gerade noch als Stützen des Systems. Nun machten sie ihren Unmut öffentlich. Es ging um den Zerfall der Währung und den Vorwurf, dass die Regierung darauf falsch regiere.

Rohanis Gegnern versuchten offenbar, auch aus diesem Protest Kapital zu schlagen. Hardliner im Parlament drohten ihm ein Absetzungsverfahren an. Doch er werde nicht zurücktreten, sagte der 69-Jährige in einer emotionalen Rede. Rohani rief stattdessen die Nation zur Einheit auf und versicherte, Iran werde auch diese Prüfung überstehen.

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